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Kunst ist eigenständig

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Das Leitwort des Deutschen Katholikentages in Berlin, „Wie im Himmel so auf Erden", war auch Thema für das Kultur- programm des Treffens der deut- schen Katholiken. Als Anspruch stellte sich das umfangreiche Kul- turprogramm, die - äußerlich ge- trennte Bereiche Kunst und Glau- ben wieder miteinander ins Ge- spräch zu bringen und zu prüfen, ob und wieweit sie trotz aller anzu- erkennenden Autonomie aufeinan- der bezogen sind. „In diesem Zu- sammenhang muß auch die Kirche wieder lernen", betonte der Vorsit- zende der Kulturkommission des Katholikentages, Jakob Kraetzer, „daß lebendiger Glaube zur eigen- ständigen Kunst nicht im Gegen- satz steht".

Im Auftrag des Katholikentages hatte der aus Estland stammende und in Berlin lebende Komponist, Arvo Pärt eine „Berliner Messe" komponiert, die im Rahmen eines Gottesdienstes mit dem Berliner Bischof Georg Sterzinsky uraufge- führt wurde.

Als Kontrastprogramm folgte dieser Messe am gleichen Abend in der Berliner Philharmonie Gustav Mahlers 8. Sinfonie. Gregoriani- sche Gesänge, Orgelkonzerte und traditionsreiche Knabenchöre aus Basel, Salzburg, Berlin, Bamberg, Mainz, Regensburg, Dresden und Pees ergänzten das musikalische Programm des Katholikentages.

Nachdem das wechselseitige Verhältnis von Kirche und Gegen- wartsliteratur lange Jahre hindurch eher von einer bedauerlichen Fremdheit gekennzeichnet war, stellte die Vielfalt des Literatur- programms in Berlin ein Zeichen des Wandels, ein Signal der Annä- herung dar. Hochkarätig besetzt war ein Podium, bei dem Schrift- steller, Literaturwissenschaftler und Theologen gemeinsam über das Thema der (un)möglichen Rede von Gott vor dem Horizont gegenwärti- gen literarischen Bewußtseins nach- dachten.

Ausführliche Lesungen unter an- derem von Günter de Bruyn aus Ostberlin und Hilde Domin fanden in der Werkstatt des Schillerthea- ters statt.

Die im Vergleich zu früheren Ka- tholikentagen gewachsene Bedeu- tung der Literatur und das fördern- de Interesse der Kirche an ihr spie- gelte nicht zuletzt die erstmalige Vergabe eines mit fünfzigtausend Mark dotierten „Katholischen Li- teraturpreises" wider. Er ging an den Warschauer Autor (und Mit- glied des polnischen Senats) An- drzej Szczypiorski. Mit ihm wurde ein von christlichem Humanismus geprägter Autor ausgezeichnet, dessen Leitmotiv die Ablehnung von Gewalt und Totalitarismus in all ihren Erscheinungen ist.

Die Vielfalt des Angebots von Bildwerken während des Katholi- kentages rechtfertigte sich nicht nur aus der großen Zahl hier lebender Künstler, sondern auch aus der prophetischen Bedeutung, die den Bildern der Gegenwart als Zeichen der Zeit eigen ist. Allen voran ist die große internationale Ausstel- lung „GegenwartEwigkeit" im Martin- Gropius-Bau zu erwähnen.

Wieland Schmied, der zehn Jahre zuvor mit der beim 86. Deutschen Katholikentag ausgezeichneten Ausstellung „Zeichen des Glau- bens - Geist der Avantgarde" gro- ßen Widerhall gefunden hatte, zog mit dieser Veranstaltung die zeitli- che Linie bis in unsere Tage.

Die Distanz der bildenden Kunst zur Festlegung auf religiöse Inhal- te ist gegenüber der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts noch ge- wachsen. Die Bilder gaben durch- wegs Zeugnis intensiven Suchens und gelegentlich glücklichen Fin- dens spiritueller Aussagen in höch- ster künstlerischer Qualität.

Der Katholikentag selbst hatte unter dem Thema „Altarbild-Geist und Körper" einen Wettbewerb für Studenten und Absolventen der Hochschule der Künste Berlin aus- geschrieben. 70 von einer unabhän- gigen Jury ausgewählte Arbeiten, darunter zahlreiche Triptychen und Diptychen, waren im Museum für Deutsche Geschichte in Ostberlin zu sehen.

Außerdem boten die Staatlichen Museen Preußischen Kulturbesitz mit ihren zahlreichen Sammlun- gen einen einzigartigen Einblick in den christlichen Bilderkreis.

Unter dem Motto „Allein der Mensch ist alles mögliche" fand im Rahmen des Katholikentages auch eine Retrospektive sowjetischer Filme statt. Die vorgestellten Filme trugen allesamt eine Botschaft in sich, welche sich an jeden Men- schen wendet, egal, wo und in wel- chem politischen System er lebt. In Einführungen wurde der Versuch unternommen, die subtile Sprache der vorgestellten Filme insbeson- dere unter diesen Aspekten zu ent- schlüsseln.

Nur der Gedanke an Gott, „wenn auch rebellisch und lästerlich", bil- de das Fundament der europäischen Kultur, und ein geeintes Europa sei vor allem ein im Bereich der Kultur geeintes, sagte der polnische Schriftsteller Szczypiorski in Ber- lin.

Der Autor ist stellvertretender Leiter der Pressestelle der Berliner Bischofskonferenz.

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