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Kunststoff = festes Erdöl

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Weil die Verbrennung von PVC die Umwelt belastet, sind die Kunststoffe - zu Unrecht - in Verruf geraten. Die meisten von ihnen können problemlos verbrannt werden.

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Weil die Verbrennung von PVC die Umwelt belastet, sind die Kunststoffe - zu Unrecht - in Verruf geraten. Die meisten von ihnen können problemlos verbrannt werden.

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Von den rund dreißig Kunststoff-Familien stellen die Werkstoffe Polyäthylen, Polystyrol, Polypropylen und Polyvinylchlorid (PVC) drei Viertel der erzeugten Menge. Bis auf PVC sind alle reine Kohlenwasserstoffe, als „verfestigtes Erdgas“ oder „festes Erdöl“ saubere und unbedenkliche Energieträger. Wir verbrennen auf direktem Weg 86 Prozent des unwiederbringlichen Erdöls und Erdgases als Treibstoff, Heiz-

öl oder Stadtgas — ungeheure Verschwendung eines Rohstoffes, der in vielen Millionen Jahren entstanden ist.

Zehn Prozent davon nützen wir für allgemeine chemische Erzeugnisse wie Heilmittel und Kosmetika und nur lächerliche vier Prozent für Kunststoffe. Es ist ein Skandal, wie sorglos wir mit den wertvollen, nicht erneuerbaren Rohstoffen Erdöl und Erdgas umgehen. Das beginnt bei der Preispolitik der OPEC und endet mit den schrillen Forderungen nach Schleuderpreisen für Benzin.

Die Kunststofftechnik ist der einzige Wirtschaftszweig, der Erdöl und Erdgas zu Werkstoffen mit ausgezeichneten Eigenschaften umwandelt. In allen noch so gegensätzlichen Diskussionen steht der sinnvolle technische Einsatz der Kunststoffe außer Frage. (Die Kunststoffwirtschaft zählt zu den führenden Branchen im Sinne der Arbeitsplatzsicherung und des Differenzierungs-wächstums. Auch das steht außer Frage.)

Ich kenne zur Zeit nichts Sinnvolleres, als die unersetzlichen Basisrohstoffe Erdöl und Erdgas zumindest einmal über den geschlossenen Kreislauf der Kunststofftechnik laufen zu lassen, bevor wir sie verlustarm als Energieträger einsetzen. Das ist logisch, ökologisch und ökonomisch.

Die Kritik der Umweltschützer, Ökologen und Soziologen hat uns darauf hingewiesen, daß wir bei diesem Umweg des Energieträgers als Werkstoff die Probleme bedenklicher Nebenwirkungen nach bestem Wissen und Gewissen zu berücksichtigen haben. Ich finde diese oft einseitige und polemische Kritik nicht nur grundsätzlich berechtigt, sondern notwendig — auch wenn sie von einzelnen Unternehmen der Kunst-stof fwirtschaft vorerst einrnal als bedrohlich empfunden werden muß.

Nach dem derzeitigen Wissensstand bestehen Probleme bei der Müllverbrennung — Chlorwasserstoffe, Stickoxide, Dioxine, Schwermetalle -, die durch Filter, Rauchgaswäsche, Neutralisierung und sichere Lagerung (Deponie) der Asche technisch beherrscht werden. Die technischen Vorteile der Müllverbrennung bestehen in der drastischen Verringerung des Abfallvolumens und in der Energieumwandlung, die für Heizungszwecke als Fernwärme eingesetzt werden muß.

Es ist gesichertes Wissen, daß diese Probleme bei allen Verbrennungen von Müll, Holz oder Kohle entstehen, auch dann, wenn es kein PVC im Müll gäbe. Polyäthylen und Polypropylen sind als reine (aliphatische) Kohlenwasserstoffe aus dieser Diskussion ohnehin ausgenommen. Sie sind chemisch dem Erdöl „gleich“.

Es ist weiter unbestritten, daß alle Kunststoffe im Müll als Ener-

gieträger zur Wirtschaftlichkeit der Müllverbrennung und der Heizung beitragen. Gegensätzliche Meinungen entzünden sich daran, wer für die zusätzlichen Kosten einer sauberen Mülltrennung aufzukommen hätte.

Ich bin davon überzeugt, daß bei einer Neubewertung bisher „freier“ Wirtschaftsgüter wie reine Luft, sauberes Wasser, gesunde Erde und gezähmtes Feuer alle Wirtschaftszweige ihre Rohstoffe neu bewerten müssen — wenn es sein muß, durch neue Rahmenbedingungen. Das gilt für Stahl, Aluminium, Uran, Wasser, Glas, Keramik, Papier, Naturfaser, Kautschuk, Leder, Holz — und Kunststoffe.

Und ich bin zuversichtlich, daß bei dieser sicherlich vielschichtigen, langwierigen und heftigen

Auseinandersetzung die Kunststoffe sich glänzend behaupten werden. Wenn die immer wieder zitierte Behauptung stimmt, daß der Verbraucher die Vorteile der Kunststoffe von sich aus — ohne Manipulation und künstliche Be-darfsweckung — eingesehen hat, dann wird er sich für diese hervorragenden Werkstoffe und Energieträger auch unter veränderten Rahmenbedingungen entscheiden.

Er wird bei ehrlicher Information auch bereit sein, die Mehrkosten für eine ökologisch einwandfreie Entsorgung zu bezahlen. Wir werden gemeinsam lernen, das Organische dem Organisatorischen vorzuziehen.

Der Autor ist Vorstand der TGM-Kunststof f-technik, Institut zum Ausbilden, Prüfen und Forschen in Wien-Brigittenau.

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