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Kunstszene mit Schlagseite

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Ganz allgemein und nicht nur von kulturpolitischen Zweckoptimisten wird Kunst heute als die Wachstumsbranche schlechthin bezeichnet. Es ist in diesem Zusammenhang keineswegs nur die zunehmende Freizeit in einer sich verändernden Gesellschaft, die es sinnvoll wie notwendig erscheinen läßt, jene aus der Beschäftigung mit Kunst resultierenden Chancen zu nützen, die sich als höhere Lebensqualität und damit als deutliches Plus an kulturellem Bewußtsein niederschlagen.

Der zu erwartende Rückgang an aufwendigen Konsumgütern mit überwiegendem Prestigecharakter wird mit Sicherheit durch eine stärkere Orientierung an geistigen Gütern und ästhetischen Werten ein Regulativ erfahren, das breite Bevölkerungsschichten umfaßt. Das geht aus Anzeichen des Kulturbooms der letzten Jahre ja bereits deutlich hervor.

Vor dieser sehr vereinfacht skizzierten Situation einer in Zukunft zu mehr Flexibilität, Eigenverantwortung und Innovation angehaltenen Gesellschaft, in der Kunst und Kultur einen wachsenden Stellenwert einnehmen, stehen auch Linz und Oberösterreich.

Die umweltstigmatisierte Stahlstadt an der Donau und das an kulturell adaptierten Schlössern reiche übrige Bundesland stehen nicht nur wirtschaftlich vor harten Bewährungsproben, sondern auch kulturpolitisch vor einer Wende, die die jüngste, von Stadt und Land eher gleichförmig-konservativ gepflogene Praxis und Kunstszene durch neue Impulse und progressivere Akzente ergänzen müßte.

Das noch vor zehn Jahren spürbare Aufbruchsklima mit dem Willen zu fortschrittlicher Selbstdarstellung und notwendiger In-ternationalisierung der Kunstszene ist nämlich (leider in allen politischen Lagern) einer nostalgieverbrämten neuen Biedermei-erlichkeit gewichen, die im bloßen Bewahren und nicht in mutigen Bekenntnissen zum Heute mit den hierin eingeschlossenen Veränderungen pluralistische Kunst- und Kulturpflege betreibt. Was nämlich trotz Ars Electronica, vereinzelten Symposien, dem Weiterbestand des 1977 installierten Forum Metall, den Designbestrebungen und Erfolgen am Institut für Gestaltung, diversen Ausstellungen der Neuen Galerie und vergleichbaren Aktivitäten fehlt, sind deutliche Signale eines modifizierten, auf Herausforderungen bedachten Kulturverständnisses.

Dieses könnte über die bisherige Praxis und etablierte Rangordnung hinaus für Schwerpunkte sorgen, in denen sich — wie zum Beispiel bei dem international vielbeachteten Forum Design — künstlerischer Anspruch und zeitgemäße Notwendigkeit mit dem Mut zu Experiment und möglicher Erneuerung vereinen. Linz als strategisch günstig gelegene Drehscheibe und zentraler Ort kultureller Großereignisse zwischen West und Ost hat hier auch in einem sinnvollen Nachziehverfahren, das 20. Jahrhundert betreffend, Chancen und Verpflichtungen.

Sicher: die Verwirklichung von Visionen und Utopien ist leichter gefordert als umgesetzt. Versäumtes nachzuholen, um auf internationalem künstlerischen Sektor Vertrautheit und bessere Vorbüdung zu ermöglichen und mit neuen Informationen zu verbinden, ist hingegen eine Forderung, der eine realistische Kulturpolitik, die Konkurrenz und Widersprüchlichkeit künstlerischer Äußerungen nicht scheut, so gut sie kann nachkommen müßte.

Wirkungsvoll und mit vergleichsweise geringen Mitteln ließe sich vor allem auf dem Ausstellungssektor zwischen klassischer Moderne und virulentem Heute viel machen, wäre man nur bereit, wenigstens fallweise jene Beträge zur Verfügung zu stellen und in sinnvoller Zusammenarbeit von Stadt und Land einzusetzen, die Jahr für Jahr für die überwiegend fremdenverkehrspolitisch orientierten großen historischen Landesausstellungen ausgegeben werden.

Logische Folge eines deutlicheren Bekenntnisses zur Gegenwartskunst, wie es verschiedentlich gefordert, aber nur in bescheidenen Dimensionen verwirklicht wird, wäre auch in Oberösterreich die längst fällige bessere Dotierung der produktiven Künste gegenüber den reproduktiven. Hier geht es weniger um Umverteilung, die die Gefahr in sich birgt, wichtige Einrichtungen in ihrer Existenz zu gefährden, sondern um eine effektive Aufstockung der Kulturbudgets (auch in den Gemeinden) auf dem Gebiet der freiwilligen Maßnahmen.

Die im Vergleich zu anderen Budgets und Ansätzen sehr bescheidenen, doch effektiven Beträge, die man brauchte, müßten bei einigem guten Willen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten finanzierbar sein. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine kluge Strategie, eine engagierte kulturelle Offensive mit aufklärenden Worten, nicht um Skeptiker zu

überreden, sondern um zu überzeugen und Vorurteile abzubauen.

Ohne Mitgehbereitschaft der gesellschaftlich einflußreichsten Schichten und neue Methoden privater Kunstförderung wird ein derartiger Prozeß jedoch kaum greifen. Bisherige Anfangserfolge privater, vom Staat durch Steuererleichterungen unterstützter Sponsorentätigkeit ermutigen in dieser Richtung und lassen auf zunehmendes kulturelles Bewußtsein auf beiden Seiten, auch in Oberösterreich, schließen. Derartige Maßnahmen sind in einem komplexen Prozeß ebenso als Fortschritt und Mittel wirksamer Ergänzung zur Tätigkeit der öffentlichen Hand zu sehen wie die Arbeit der eingangs zitierten Institutionen.

Entscheidendes auf lange Sicht freilich trägt in diesem Prozeß die Kunst selbst bei. Es ist eine neue, junge Phalanx oberösterreichischer Maler und Zeichner, die aber mehr von Wien aus Klima und Anspruch der jungen Szene über Österreichs Grenzen hinaus innovatorisch mitbestimmt: Anzinger, Blaas, Damisch, Hebenstreit, Klopf, Sery, Glück, Rok-, kenschaub, Scheibl, Brehm und Zitko sind solche Namen.

Der Autor ist Direktor der Neuen Galerie in Linz.

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