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Kuriose Änderungen

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Im Schatten der großen Feierlichkeiten dieses Jahres - dreißigjähriges Jubiläum der Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat, Tausend-Jahr-Feier des hl. Gerhard - vollzogen sich einige bemerkenswerte Änderungen in der katholischen Presse Ungarns.

Sie besteht nur aus wenigen Organen mit beschränkten Auflagezahlen, hat aber eine wichtige Funktion für die ungarischen Katholiken und gibt dem der ungarischen Sprache mächtigen Leser im Ausland Auskunft über das Leben der Kirche in Ungarn. Die ungarischen katholischen Journalisten suchten und fanden in den letzten Jahren Kontakte mit ihren Kollegen im Ausland, nicht zuletzt bei den Weltkongressen der ka-tholischen.Presse.

Da diese personellen Entscheidungen vom staatlichen Informationsamt vorgenommen werden (das gilt für die gesamte Presse Ungarns) und im Falle der katholischen Presse auf Vorschlag des staatlichen Kirchenamtes erfolgen, ist die Frage naheliegend, welche Absichten der Staat mit diesen personellen Änderungen bezweckt.

Beim „Magyar Kurir", der katholischen Nachrichtenagentur, die allerdings weder eine offiziell kirchliche noch eine offiziell staatliche Einrichtung ist, wurde der seit Jahrzehnten dort tätige Chefredakteur Läszlo Markus gekündigt. Er klagte daraufhin seinen bisherigen Arbeitgeber wegen ungerechtfertigter Kündigung und gewann diesen Prozeß in erster Instanz.

An seine Stelle trat der bisherige Pfarrer Dr. Gojäk aus der Diözese Pees, der vor seiner Tätigkeit als Pfarrer Sozialethik in Rom studiert hatte und bisher im Pressewesen in keiner Weise tätig war. Angesichts des großen Priestermangels in Ungarn ist es schwer verständlich, daß ein Pfarrer für diese Aufgabe in der katholischen Presse freigestellt wurde.

Im Frühsommer dieses Jahres schuf die ungarische Bischofskonferenz eine eigene Pressestelle, die das offizielle Sprachrohr der Bischofskonferenz im Inland und für das Ausland sein soll. Ihre Funktion ist aber in der Praxis unklar: wo liegen zum Beispiel die Grenzen „zum Magyar Kurir?"

Es heißt, daß diese bischöfliche Pressestelle auch die Koordinierung der katholischen Presse vornehmen soll, eine andere Version besagt, daß diese Pressestelle auch jene Aufgabe übernehmen soll, die bisher vom staatlichen Kirchenamt durchgeführt wurde, nämlich die Verbreitung von Nachrichten über kirchenpolitische Vorgänge. Bischöflicher Beauftragter ist Weihbischof Bagi, der aber als Rektor des Zentralseminars Budapest kaum mit der Pressestelle befaßt ist.

Praktischer Leiter dieser Pressestelle ist Ferenz Magyar, der bisher schon Chefredakteur der Wochenzeitung „Uj Ember" war und diese Funktion beibehielt. Offensichtlich genoß er schon immer das besondere Vertrauen des staatlichen Kirchenamtes und durfte häufig im Ausland die ungarische katholische Presse vertreten.

Am auffälligsten ist eine Personaländerung bei der Monatszeitschrift „Vigi-lia": sie erscheint seit 1935 und ist eine angesehene kulturell-theologische Zeitschrift. Nach dem Tode ihres langjährigen Chefredakteurs Rönay, der ein bekannter Literat war, wurde sie von Kä-roly Doromby geleitet.

Ursprünglich sollte dieser noch bis Ende 1981 im Amt bleiben, aber in der August-Nummer der „Vigilia" teilte er mit, er freue sich, einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben und lege sein Amt aus Altersgründen zurück. Sein Nachfolger, Bela Hegyi, war seit einem Jahrzehnt bei „Vigilia," hatte hauptsächlich den Kontakt zwischen Redaktion und Druckerei zu besorgen, die' Manuskripte druckfertig zu machen und zu korrigieren.

Während an der Spitze von „Vigilia" bisher immer profilierte Persönlichkeiten des kulturellen und literarischen Lebens standen, hatte niemand in der Person Hegyis einen möglichen Chefredakteur für diese bedeutendem Zeitschrift gesehen. Er hatte lediglich zwei Anthologien aus Interviews mit verschiedenen ungarischen Persönlichkeiten publiziert, die ebenfalls vorher schon in „Vigilia" oder in anderen Publikationen erschienen waren.

Hegyis erste Leistung ist die Oktobernummer, sozusagen sein „Gesellenstück": anläßlich des dreißigjährigen Jubiläums des Vertrages zwischen dem ungarischen Episkopat und dem Staat erschien zu diesem Thema je ein Artikel von Kardinal Lekai, Staatssekretär Miklös, Bischof Cserhäti und Pfarrer Birö (dem Generalsekretär der Friedenspriesterbewegung, Parlamentsabgeordneter ynd seit dem Sommer dieses Jahres Mitglied des Präsidialrates, das ist das kollektive Staatsoberhaupt Ungarns.

Der Kardinal zählt die bescheidenen Fortschritte im kirchlichen Leben der letzten Jahrzehnte auf, Staatssekretär Miklös legt mit beachtlichem Niveau, präzis realistisch und offen den Standpunkt der Staatsführung dar, Birö lobt die Verdienste der Friedenspriesterbewegung.

Interessant sind Cserhätis Ausführungen: unter dem Titel „Voran auf offenen Wegen" appelliert er an die Gläubigen, die Chancen wahrzunehmen, die sich innerhalb der gesetzten Grenzen böten. Die Kirche habe bei weitem nicht alle erlaubten Möglichkeiten ausgeschöpft und man müsse auch „die Ausdehnung der Möglichkeiten in Evidenz halten".

Neben den Fortschritten seit 1950 gäbe es auch Schattenseiten, über die zu Recht Klage geführt werde und die beseitigt werden müßten.

Auch wenn sich „Vigilia" schon bisher nur in jenem Rahmen bewegen konnte, den die politischen Verhältnisse der katholischen Publizistik in Ungarn gezogen haben, so war sie doch eine niveauvolle Zeitschrift für Themen der Kultur, insbesondere der Literatur und der Theologie. Wird sie unter ihrem neuen Chefredakteur stärker für politische Zwecke gebraucht werden?

Keine Änderung gab es beim Blatt der Friedenspriesterbewegung „Katoli-kus Szö", denn es bedurfte hier keiner „Gleichschaltung" mehr. Auch die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „teologia" ist bisher von personellen Änderungen anscheinend unberührt geblieben.

Unter der redaktionellen Leitung des im Ausland angesehenen und unter der katholischen Intelligenz in Ungarn geschätzten Erzabtes von Pannonhalma und Professors an der Theologischen Akademie in Budapest, Andreas Szen-nay, hielt sie bisher eine streng wissenschaftlich-theologische und pastorale Linie ein und galt daher auch im Ausland als ein objektives Zeugnis des theologischen Denkens in Ungarn. Wirddie-ser Eindruck durch eine künftige personelle Änderung bei dieser Zeitschrift zerstört werden?

Noch ist es zu früh, um an den Auswirkungen der geschilderten personellen Veränderungen die dahinter stehenden Absichten erkennen zu können.

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