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Kurs fortsetzen

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ÖVP und FPÖ arbeiten in Graz zusammen. Die beiden ÖVP-Landtagsabgeordneten Primarius Gerd Stepant-schitz und Univ.-Prof. Bernd Schilcher untersuchen diese Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Niederlage vom 6. Mai.

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ÖVP und FPÖ arbeiten in Graz zusammen. Die beiden ÖVP-Landtagsabgeordneten Primarius Gerd Stepant-schitz und Univ.-Prof. Bernd Schilcher untersuchen diese Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Niederlage vom 6. Mai.

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Das sogenannte steirische Klima wird in der Politik dieses Landes immer wieder strapaziert und auch immer wieder in Frage gestellt, dennoch ist unbestreitbar, daß bei allen grundsätzlichen und persönlichen Gegensätzen die Parteien in diesem Bundesland ein gutes - manchem ein zu gutes -Verhältnis zueinander haben.

Die ÖVP als führende Kraft muß an einer ruhigen Entwicklung interessiert sein, bei den Sozialisten versuchen die älteren Kräfte im Rahmen eines Proporzes möglichst viel herauszuholen, während bei den radikalen jungen Politikern wohl noch auf unabsehbare Zeit die Voraussetzungen fehlen, um den Kurs bestimmen zu können. Bei der FPÖ schließlich gingen die Hoffnungen, das Zünglein an der Waage zu spielen, auf Grund der Wahlergebnisse bisher nicht in Erfüllung; sie hat sich offenbar mit der Rolle einer im allgemeinen gepflegten dritten Kraft in der steiri-schen Landespolitik abgefunden.

An dieser Grundeinstellung hat auch die 1973 erfolgte Wahl des FPÖ-Obmannes Alexander Götz zum Grazer Bürgermeister nicht viel geändert.

Diese Wahl wurde vor allem deshalb vorgenommen, weil die steirische ÖVP offenbar vom Linkskurs der Bundes-FPÖ sehr beeindruckt war, die ja über die Unterstützung einer Minderheitsregierung letztlich die Installierung einer sozialistischen Bundesregierung erst ermöglicht hatte. Man wollte jedenfalls ein Abdrängen der steirischen FPÖ in die linke Reichshälfte unbedingt verhindern und glaubte mit der Wahl von Götz zum Bürgermeister ein Signal zu setzen.

Erleichtert wurde diese Politik durch eine weitgehend erstarrte und ideenlose sozialistische Kommunalpolitik, die letztlich über ein Auto-/ bahnprojekt scheiterte.

Die ÖVP verfügt jedenfalls innerhalb der Grazer Koalition über die Mehrheit, kann vor allem ihre Programmpunkte durchsetzen und hat auch die Möglichkeit, ihre Mandatare, die sehr wesentliche Ressorts vertreten, entsprechend aufzubauen. Auch personalpolitisch konnte die einst drückende sozialistische Vorherrschaft gebrochen werden. Die Volkspartei bezahlte dies bisher allerdings mit einer von Wahl zu Wahl unterschiedlichen ^ Stimmen Wanderung hin zur Grazer FPÖ, was vor allem auf den sogenannten Bürgermeisterbonus zurückzuführen ist, aber dennoch nicht annähernd so stark ausgeprägt war wie in Klagenfurt, wo bekanntlich ein ÖVP-Bürgermei-ster den Koalitionspartner FPÖ geradezu peinlich zur unbedeutenden Minderheit deklassierte.

Für Graz bezeichnend ist die außergewöhnlich große Zahl von Wechselwählern, die sich durch die liberale Struktur dieser Stadt, durch den Einfluß der Hochschulen und wohl auch durch eine ausgeprägt kritische Einstellung der Bürger dieser Stadt erklären läßt. So errang die FPÖ bei der Gemeinderatswahl 1978 39.485 Stimmen, bei der Landtagswahl 18.074 und bei der Nationalratswahl 1979 16.103 Stimmen. Man kann sagen, daß in Graz fast 20 Prozent der Wähler als Wechselwähler anzusehen sind.

Bei der letzten Landtagswahl verloren die Sozialisten weiter an Stimmen und erreichten das schlechteste Ergebnis seit 30 Jahren.

Die FPÖ nahm der Volkspartei ein Mandat ab. Dabei muß man aber erinnern, daß sich die FPÖ im Wahlkampf immer wieder ausdrücklich für die Wiederwahl von Landeshauptmann Friedrich Niederl aussprach, so daß also das Ergebnis immer noch als großartiger, persönlicher Erfolg des Spitzenkandidaten der ÖVP angesehen werden muß.

Interessant ist das Ergebnis der letzten Nationalratswahl. Der Zuwachs der Sozialisten liegt in der

Steiermark im Bereich des österreichischen Durchschnitts, in Graz nahmen sie jedoch nur um 0,1 Prozent zu, genausoviel wie die Kommunisten noch zu verlieren hatten. Man kann also auch hier sagen, daß sich der Grazer Weg bestätigt hat.

Der überdurchschnittliche Zuwachs der FPÖ sowohl im Lande als auch in der Stadt muß wohl in erster Linie auf den Heimvorteil des Bundesobmannes Bürgermeister Götz zurückgeführt werden. Aber auch diesmal hat der geschäftsführende Parteiobmann, LAbg. Klaus Turek, vor der Wahl eine vielbeachtete und von seinen Parteifreunden in Wien nicht sehr energisch dementierte Erklärung abgegeben, daß die FPÖ sich nur an einer Koalition mit der ÖVP beteiligen würde.

Diese Erklärung war mit ein Argument für die bekannte, von den Sozialisten propagierte Bürgerblock-Angstparole, wird aber wohl anderseits doch manchen zweifelnden ÖVP-Wähler abgezogen haben.

Jedenfalls hat sich der nach allen Seiten offene Kurs der steirischen

ÖVP zumindest hinsichtlich der Landes- und Gemeindepolitik bewährt.

Landeshauptmann Friedrich Nie-. derl ist unbestrittener „Landesvater“, bedacht auf die Durchsetzung seiner Ziele für die Entwicklung der Steiermark, die ja auf Grund der geo-politischen und strukturellen Situation alle Anstrengungen beansprucht.

Bei dieser zielstrebigen Politik wird aber immer wieder viel Rücksicht genommen auf die Rechte und Ansprüche anderer Parteien, die so letztlich in eine allgemeine Konsenspolitik gedrängt werden.

Gerade die für die ÖVP so unglücklich ausgegangene Nationalratswahl wird wohl für die steirischen Landespolitiker Anlaß sein, den bisherigen Kurs fortzusetzen, der vor allem darin besteht, eine politische Isoliertheit auf lange Sicht zu verhindern.

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