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Labours Bruch ist besiegelt
Großbritanniens politische Landschaft ist urplötzlich in Bewegung geraten. Rekordarbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Abstieg stellen Thatchers monetäre Heilungskur auf eine harte Probe. Die große Oppositionspartei wiederum hat sich durch ihre abgrundtiefe Spaltung selbst um die Chance gebracht, sich als wählbare Alternative anzubieten.
Die Liberalen sind, auf sich allein gestellt und durch das geltende Wahlrecht schwerstem benachteiligt, kaum in der Lage, ihre nun schon sechzig Jahre dauernde Bedeutungslosigkeit abzuschütteln. Doch Parteiführer David Steel winkt den Sozialdemokraten, die sich anschicken, das in die Radikalität treibende Mutterschiff Labour zu verlassen, mit einem Wahlpakt im Zentrum.
Der „Rat für Sozialdemokratie“ ist der Keim, aus dem die neue Partei, links von der Mitte angesiedelt, entsprießen soll. Parteiführer Michael Foot kann die Gründer des Rates nicht einfach als politische Abenteurer oder Exzentriker abtun; Shirley Williams, David, Owen, Roy Jenkins und Bill Rodgers, die ersten erklärten Dissidenten von Labour, hatten allesamt wichtige Kabinettsposten unter Harold Wilson und James Callaghan inne und niemand rechnet sie etwa zum alten Eisen.
Noch hat die „Viererbande“, wie sie der Volksmund nennt, den Kreis der Partei nicht verlassen, doch der Lösungsprozeß ist im Gange. Rodgers hat seinen Platz im Schattenkabinett aufgegeben und Owen bereitet sich vor, seinen Platz als Abgeordneter zu räumen. Frau Williams, die stärkste Persönlichkeit dieser Gruppe und sehr wohl imstande, eine neue Thatcher zu werden, sitzt noch im Exekutiv-Komi- tee der Partei.
Nicht mehr lange. Foot fordert sie und ihre Gesinnungsgenossen noch höflich auf, Farbe zu bekennen. Ansonsten herrscht Bitterkeit und Hysterie.
Etwa 20 Unzufriedene auf den Hinterbänken der Regierungspartei sympathisieren mit den Sozialdemokraten und sind unter Umständen sogar bereit, das Parteibündel zu schnüren und einen Parteiwechsel zu vollziehen. Jene überzeugten Labour-Leute, die sich bereits offen für den Rat ausgesprochen haben, sind nur die Spitze eines Eisberges.
Zur Stunde kann man nur ahnen, wieviele Hunderte oder Tausende mittlerweile zur Überzeugung gekommen sind, daß die Arbeiterpartei nicht mehr zu retten ist.
Nach der letzten Parteikonferenz ist sie es bestimmt nicht mehr! Was sich im Kongreßzentrum von Wembley am vorletzten Samstag des Jänner abspielte, hat den Entschluß zur Trennung nicht etwa geformt, mit Sicherheit aber beschleunigt. Die Linke der Partei, angeführt vom marxistischen Utopisten und Ex-Adeligen Tony Benn, hat einen großen Sieg ihrem konstanten Vormarsch der letzten Jahre hinzugefügt.
Fortan wird der Parteiführer nicht mehr von der Parlamentsfraktion allein, sondern zum größten Teil von den Gewerkschaften gekürt: Ein Sieg der Linken und damit der zielstrebigen Aktivisten in ihren Diensten!
Die Parlamentarier sind nicht einfach selbstherrliche Besserwisser, sondern auf demokratischem Wege vom Parteivolk gewählt - als deren Vertreter im Parlament. Die Gewerkschaftsbosse hingegen, die sich auf die alles bestimmenden Blockstimmen stützen, bleiben auf Lebenszeit in ihren Positionen. Die Verbände sind die Zahlmeister der verschuldeten Partei und an ihren
Entscheidungen beteiligen sich auch paradoxerweise Angehörige anderer Parteien.
Konservative und Kommunisten beeinflussen also auf Umwegen, was bei Labour geschieht und wer die Führung inne hat. Bei Licht betrachtet gerät die Partei immer mehr unter den Einfluß von Appartschiks und Radikalinskis!
Dieser Wechsel gab den Ausschlag, als letztes Glied in einer Kette vom Verlust des alten Gepräges. Labour hat ihren Internationalismus verloren, ihre Verpflichtung zu Europa und zum Gemeinsamen Markt aufgesagt. Sie, die Partei, ist nicht einmal mehr bereit, die freie Welt zu schützen und produziert mit dem Postulat einseitiger Abrüstung einen gefährlichen Akt politischer Naivität und Dummheit.
Kein Wunder, daß dem schwachen Labour-Führer Foot angesichts dieses Trends seiner Partei zur Radikalität bange wird, obwohl er selbst nicht geringe Schuld daran trägt, die Geister gerufen zu haben, die er nun nicht los wird. Möglicherweise ist es schon zu spät, um den fatalen Kurs zu revidieren, wie es Foot vorhat: Beim nächsten Parteitag kommenden Oktober will er die Parteiverfassung wieder einmal ändern
- diesmal zum Schaden von Gewerkschaften und Parteiaktivisten.
Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte die Rechte endgültig abgebrochen sein und ihr Programm verkündet haben. Anhaltspunkte für ein sozialdemokratisches Credo sind gegeben: eine radikale Partei, die ihre internationalen Verpflichtungen hochhält, also Bekenntnis zu Europa, zum militärischen und wirtschaftlichen Bündnis; im Innern eine gemischte Wirtschaft, in welcher privater neben öffentlichem Sektor gleichberechtigten Platz einnimmt.
Um bei den nächsten Wahlen bestehen zu können, braucht die noch ungeborene Gruppierung sozialdemokratischen Geblütes die Handreichung der Liberalen. Anvisiert ist eine Allianz der Mitte, in der jeder Partner sein Gesicht behält, seine Selbständigkeit bewahrt.
Die öffentliche Meinung mißtraut den angeblichen demokratischen Schallmeien von Aktivisten und Dogmatikern. Die Koalition könnte auch Kritiker von Thatchers striktem Monetarismus aufsaugen.
Der britischen Demokratie täte jedenfalls eine dritte Kraft nur gut, um aus der verderblichen Spirale ständigen Macht- und Szenenwechsels zwischen nur zwei Parteien herauszukommen.
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