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Lacina, der linke „Chicago-Boy"

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Die Umverteilung der vergangenen Jahre sei schlichtweg „katastrophal" gewesen. Ferdinand Lacina ist ganz erschrocken. Der langjährige SPÖ-Finanzminister hat plötzlich erkannt (warum eigentlich erst jetzt?), daß die Steuerreformen vor allem eine Umverteilung von unten nach oben bewirkten. Bei den Besserverdienenden habe - das zeigen Studien seines Ministeriums - etwa die Reform von 1989 voll durchgeschlagen. Wer wenig verdiente, bekam hingegen durch die Erhöhung der Krankenversicherungs-Beiträge noch weniger ausbezahlt.

Im Zuge der zweiten Etappe der Steuerreform 1994 plant der Minister daher eine - wie „profü" es nennt -„spektakuläre" Umverteilung. Diesmal in die andere Richtung.

Unter anderem will er eine sogenannte „Negativsteuer'4 für diejenigen, die wenig oder keine Lohnsteuer zahlen. Es sollen nicht nur die Steuerfreigrenzen auf 10.000 Schilling angehoben werden; wer weniger verdient, soll die Differenz aus der Staatskasse überwiesen bekommen. Geplante Abgabenerhöhungen, etwa in der Pensionsversicherung, sollen für sozial Schwache durch entsprechend erhöhte Überweisungen auch ausgeglichen werden.

Um das Geld für diese Maßnahmen und eine Änderung der Steuertarife aufzutreiben, will Lacina die Besserverdienenden und die Unternehmer härter an die Kandare nehmen: teils durch Abschaffung der bisher geltenden Steuerabzugsfähigkeit der Krankenversicherungen (die Kassenbeitrage müssen dann voll aus der eigenen Tasche bezahlt werden!), teils durch eine Erhöhung des Höchstbeitrages für die Sozialversicherung einseitig zu Lasten der Arbeitgeber.*

Was der Finanzminister hier vorhat, ist sicher ganz nach dem Geschmack der Stammwähler seiner Partei: Nimm den Reicheren und gib den Ärmeren. Dabei noch so - wie trickreich -, daß auch echte Marktwirtschaftler nichts dagegen haben können. Denn die „Negativsteuer" ist eine marktkonforme Maßnahme. Sie ist, wie der Minister ohnehin zugibt, keine „neue Erfindung". Er hat die „negative income tax" von Milton Friedman, dem Erz-Antisozialisten und Ziehvater der „Chicago-Boys", über die er sich in seinen Juso-Tagen immer gern mokierte (Chiles Diktator Pinochet und andere extreme Marktwirtschaftler ließen sich von ihnen beraten).

Daß gewisse Korrekturen des derzeitigen Steuersystems notwendig sind, steht außer Zweifel. Lacinas Pläne zum Ausgleich des sozialen Dilemmas sind sicher ernst gemeint. Ob die betont linke Akzentuierung auch wirklich gut ist für Wirtschaft und Gesellschaft, wird die Umsetzung noch zeigen.

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