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Lacina zwischen Skylla und Charybdis

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Fiskalpolitik zu betreiben ist derzeit schwierig: Konsolidierung in der konjunkturellen Abschwä-chung, Setzung neuer Akzente durch Steuerreformen und die Vorbereitung auf den EG-Beitritt sind das Koordinatensystem, in dem sich Finanzminister Ferdinand Lacina in den nächsten Wochen bewegen muß (siehe auch Seite 3 und 9).

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Fiskalpolitik zu betreiben ist derzeit schwierig: Konsolidierung in der konjunkturellen Abschwä-chung, Setzung neuer Akzente durch Steuerreformen und die Vorbereitung auf den EG-Beitritt sind das Koordinatensystem, in dem sich Finanzminister Ferdinand Lacina in den nächsten Wochen bewegen muß (siehe auch Seite 3 und 9).

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Das ursprüngliche Konsolidierungsziel der Koalition, nämlich das Defizit des allgemeinen Haushalts bis 1992 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu begrenzen, mußte nach anfänglichen Erfolgen auf 1996 verschoben werden; teils wegen konjunktureller Probleme, teils wegen mangelnden Sparwillens oder tatsächlich fehlender Sparmöglichkeiten der Ministerien. Ob bis dahin eine Annäherung an dieses Ziel erreicht werden kann, ist fraglich:

Zwar wird versucht werden, das heuer voraussichtlich auf 3,8 Prozent des BIP (etwa 80 Milliarden Schilling) steigende Nettodefizit im nächsten Jahr wieder auf Konsolidierungskurs zu bringen, die angestrebten 67 Milliarden Schilling oder drei Prozent des BIP erscheinen aber jetzt schon als nicht sehr realistisch.

Als Problembereiche für die diese Woche begonnenen Verhandlungen zum Budget 1994 erscheinen insbesondere die Sozialversicherung, die verstaatlichte Industrie und die Osterreichischen Bundesbahnen. Die Finanzierung des Sozialbereichs ist vor allem wegen der steigenden Arbeits-lo sigkeit neuerlich schwieriger geworden. In der Verstaatlichten steigen die Defizite, der Kapitalbedarf zur Umsetzung der „Neuen Bahn” bewegt sich gleichfalls in Größenordnungen, die nicht mit der linken Hand zu bewältigen sind.

Konjunkturell zum richtigen Zeitpunkt wird die zweite Etappe der Steuerreform Anfang 1994 in Kraft treten und durch die Erleichterungen allein im Bereich der Lohn- und Einkommenssteuer die Massenkaufkraft um rund 13 Milliarden Schilling stärken. Verschiedene Reformen im Bereich der Unternehmensbesteuerung (wie etwa die ersatzlose Streichung von Vermögens- und Gewerbesteuer) werden den Industriestandort Österreich stärken.

Mit der Erhöhung der Lohnsummensteuer, wodurch die Verwendung von Arbeitskraft im Widersinn zur aktuellen Entwicklung des Arbeitsmarkts abermals verteuert wird, jährend auf eine stärkere Besteuerung des Energieeinsatzes verzichtet wurde, ist die Chance einer zukunftsweisenden Akzentsetzung allerdings vertan worden.

Fiskalpolitik aus Brüssel?

Ein wenig Erleichterung verschafft heuer und sicherlich auch im nächsten Jahr der sinkende Zinstrend, wodurch schon dieses Jahr rund drei Milliarden Schilling beim Zinsendienst für die Staatsschuld eingespart werden können. Die Staatsschuld selbst wird weiter wachsen und soll gemäß Budgetvorschau bis 1996 etwa 1.430 Milliarden Schilling erreichen. Manche hoffen ja, daß Österreich zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied der EG sein wird. Wie wird es dann jedoch mit der Finanzpolitik weitergehen? Wird es überhaupt noch eine eigenständige österreichische Finanzpolitik geben?

Prinzipiell ist es nach der derzeit geplanten Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion so, daß die Fiskalpolitik Angelegenheit der Mitgliedsländer bleibt. Allerdings sieht der Maastrichter Vertrag quantitative Regelungen in Form von Obergrenzen für die Defizite der öffentlichen Hände (also inklusive Länder und Gemeinden) in Höhe von maximal drei Prozent des BIP und für die gesamte Staatsverschuldung in Höhe von maximal 60 Prozent des BIP vor.

Diese Beschränkungen sind Teil der sogenannten Konvergenzkriterien und werden von den EG-Ländern selbst derzeit nur sehr beschränkt erfüllt; eine rasche Annäherung wäre derzeit auch - sofern überhaupt möglich -konjunkturell katastrophal.

Währungsunion muß warten

Zuletzt ist aber immer klarer geworden, daß eine Währungsunion (für wie realistisch man sie nach den jüngsten Ereignissen an den Devisenmärkten auch immer halten mag) ohne eine sehr strikte oder womöglich sogar verschärfte Beachtung zumindest der obigen Defizitregel und einer entsprechenden Vereinheitlichung der Fiskalpolitik der Mitgliedsländer nicht funktionieren kann. Es ist daher auf diesem Gebiet im Falle einer EG-Mitgliedschaft Österreichs mit weiteren Regulierungen aus Brüssel zu rechnen.

Hohes Defizit bei EG-Beitritt

Mit den derzeitigen Kriterien hätte Österreich keine Probleme. Die Mitwirkung an den EG-Haushalten würde unsere Werte allerdings zweifellos näher an die genannten fiskalischen Grenzwerte bringen. Denn Österreich wäre - wie bereits hinlänglich bekannt - Nettoeinzahler in die EG-Haushalte.

Auf Basis 1992 wären 27 Milliarden Schilling einzuzahlen gewesen, während nach Schätzung der EG-Kommission mit Rückflüssen nach Österreich, vor allem aus dem Titel der Agrarpolitik, in Höhe von 14 Milliarden zu rechnen wäre. Ganz sicher aber würde das österreichische Budgetdefizit ansteigen, und zwar im Ausmaß von zumindest einem Prozent des BIP.

Nur am Rande sei bemerkt, daß dem Staatshaushalt im Falle des Eintritts einer Währungsunion mit österreichischer Beteiligung ein weiterer Verlustposten beziehungsweise eine Gewinnminderung insofern erwachsen würde, als Teile der nationalen Gold- und Devisenbestände in eine Europäische Zentralbank einzubringen wären, wodurch die Gewinne der Nationalbank, die ja großteils an das Finanzministerium überwiesen werden, geschmälert würden.

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