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Die wirtschaftlichen Erfolge der Vergangenheit ließen Österreich in der Folge zu wenig über die Grenzen schauen. Noch ist Zeit, einen „Ausbruch aus Krähwinkel” zu machen.

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Die wirtschaftlichen Erfolge der Vergangenheit ließen Österreich in der Folge zu wenig über die Grenzen schauen. Noch ist Zeit, einen „Ausbruch aus Krähwinkel” zu machen.

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Während die österreichische Wirtschaftspolitik in den Wiederaufbaujahren internationales Ansehen erwarb, erinnert sie ab Mitte der siebziger Jahre an Franz Grillparzers „das ist der Fluch von unserem edlen Haus, auf halben Wegen und zu halber Zeit mit halben Mitteln zauderhaft zu streben”.

Daß wirtschaftspolitische Versäumnisse der letzten Jahre äu-

ßerlich noch nicht nachhaltiger zum Ausdruck kamen, deutet auf eine gewisse Abkoppelung der Wirtschaft von politischen Schwächeerscheinungen bei erfolgreichen Strukturanpassungen hin.

Weitgehend dürfte Konsens darüber bestehen, daß das Modell des Austro-Keynesianismus der siebziger Jahre mit seiner starken Betonung der durch Staatsschulden finanzierten Nachfragestärkung in den späten achtziger und neunziger Jahren nicht wiederholbar ist.

Erstens hat die Bedienung der Zins- und RückZahlungsverpflichtungen eine Höhe erreicht, die den Spielraum der Budgetpolitik so weit einengt, daß das Tempo der Neuverschuldung nachhaltig verlangsamt werden muß.

Zweitens wird auch von Anhängern der Politik der siebziger Jahre (Nachfragestärkung über „Pump” und gleichzeitig Stabilitätsimpulse auch über Einsatz eines an die Deutsche Mark gebundenen Wechselkurses) nicht bestritten, daß exponierte Sektoren der österreichischen Wirtschaft im Vergleich zur DM-Konkurrenz ertragsmäßig benachteiligt waren. Man kann eben nicht während fast eines ganzen Jahrzehnts die Exporte zu DM-Konditionen abwickeln und gleichzeitig in Kauf nehmen, daß die Schillingkosten in wichtigen Bereichen stärker steigen.

Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit wird sich daher weniger auf Nachfragestärkung, als auf Kosten- und Angebotspolitik stützen müssen.

Im folgenden seien einige Elemente einer Wirtschaftspolitik angeführt, die für die Kostenstrukturen am Wege von der Industriegesellschaft zur informationsindustriellen Gesellschaft bedeutsam sind:

# Die Frage des Ausbildungsstandes der Mitarbeiter spielt bei der Fabrik der Zukunft (Computerisierung und Logistik sowie Transferstraßen, Roboter) eine große Rolle, kaum weniger das „Büro der Zukunft”.

• Die gängigen Klagen betreffen den Mangel an geschulten Kräften moderner Arbeitsvorbereitung, auslandsgeschulten Vertriebstechnikern, aber auch Krankenschwestern und qualifizierten Sozialhelfern, steht im Gegensatz zum ständigen Uberschuß von Schulentlassenen am heimischen Arbeitsmarkt.

• Bei der Mitarbeiter-Entlohnung zwingen die wachsende Dienstleistungsindustrie und die technologisch bedingte Delegierung der Tätigkeitsabläufe zu kleineren flexibleren Aktionseinheiten und zur Uberprüfung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen.

• Die Wirtschaftspolitik neigt dazu, die Bedeutung der Steuern zu vernachlässigen. Viele ausländische Konkurrenten liegen wegen der traditionellen österreichischen Belastungen günstiger.

Dazu seien einige Problemkreise österreichischen Kolorits bei international auftretenden Symptomen von sozialen „Verhärtungen” angedeutet:

• Es gelingt einer Handelskammer-Untergruppierung mit Pflichtmitgliedschaft und der Gewerkschaft der Handelsangestellten, das wahrscheinlich restriktivste Öffnungszeiten-System der Geschäfte zu verteidigen. Eine besondere „Verhärtung” ist es, daß der oberste Gewerkschaftssprecher der Angestellten als Regierungsmitglied diesen Immobilismus verstärkt. Derselbe Minister, der auch Gewerkschaftsspitzenfunktionär ist, „füllt” die Medien mit Mitbestimmungsdiskussionen, ohne zu merken, daß der Zug schon längst in die Gegenrichtung fährt.

• Ihm folgt der Energiekosten verteuernde Energieminister im Kampf gegen die friedliche

Atomnutzung. Hier versucht man, mit Hinweis auf personelle, vertragliche oder organisatorische „Verhärtungen” der Energiewirtschaft vom Skandal des Verbotes der Benützung einer sauberen und billigen Energiequelle abzulenken.

# Der Begriff des Verkaufes von öffentlichem Vermögen rangiert bei uns noch in der Nähe von Tierquälerei oder fahrlässiger Krida.

• In Deutschland hat die öffentliche Diskussion ein Stadium erreicht, in dem von vielen erkannt wird, daß das Problem der Explosion der Gesundheitskosten mit dem überkommenen Kassensystem nur schwer einzuschränken sein wird. Nur wenn Krankenkasse und Ärzte stärker dem Wettbewerb ausgesetzt sind, wird die Krankenversicherung der neunziger Jahre finanzierbar sein. Unsoziale Nebeneffekte lassen sich durch versicherungstechnische Vorkehrungen zugunsten der Ärmeren verhindern.

• Eine der „sozialen Verhärtungen” ist der Proporz, die Postenvergabe nach Parteibuch. Nicht primär durch die zuständige Behörde oder Körperschaft, sondern via paktiertem Parteivorschlag. Dieser personalpolitische Machtanspruch der Parteien - „Komm zu uns, dann wirst Du was” — ist für die Lösung der Existenzprobleme Österreichs für die technologische Revolution der neunziger Jahre höchst verderblich.

# Die Diskussion um die Anpassung der Arbeitsbedingungen der Bediensteten bei Bahn, Post und sonstigen öffentlichen Wirtschaftsbetrieben ist eingeschlafen. Die Pragmatisierung kann sicherlich nur von einer Regierung auf breiter Basis aufgelockert werden.

Der Autor ist Ehrenpräsident der Industriellenvereinigung. Der Beitrag ist ein Auszug aus seiner vor kurzem erschienen Publikation „Ausbruch aus Krähwinkel - Osterreichische Perspektiven 1985 bis 1995”.

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