6939322-1983_21_03.jpg
Digital In Arbeit

Länderbilanz

Werbung
Werbung
Werbung

Eines darf man nicht: so tun, als wäre die Lage der Kirche in allen kommunistischen Ländern gleich. Eins freilich auch nicht: so tun, als gäbe es keine Gemeinsamkeiten (wie etwa den Versuch, durch administrative Schikanen den Freiraum der Kirche so weit wie möglich einzuschränken). Hier stichwortartig einige der Besonderheiten:

• Polen: Die KP hat abgehaust, das Jaruzelski-Militärregime ist „impotent“ (Kreisky),und nur die katholische Kirche stellt eine Geistesmacht dar. Ihr Problem: die Ungeduld der Jugend (zwei von drei Polen sind unter 35) nicht zu enttäuschen und dennoch dem Ziel der vatikanischen Ostpolitik treu zu bleiben, wonach Katholiken die Ostblockregime zu Reformen drängen, aber nicht stürzen sollten. Stefan Kisielewskis Vision: daß die Kirche direkt mit Moskau eine Lösung aushandelt. • Ungarn: Die „Politik der kleinen Schritte“, die Kardinal Lekai verfolgt, hat der Kirche (klassische Formulierung von Emmerich Andräs) „wahrhaftig nicht überwältigende, aber nicht unbedeutende“ Erfolge gebracht. Jetzt drängt der Papst die Bischöfe, zehn konkrete neue Schritte zu setzen.

• CSSR:Presse,Organisationen, Orden, Seminarien (außer zwei) sind zerstört und aufgelöst, 3000 von 7000 Priestern und alle Bischöfe wurden nach KP-Macht- übernahme eingesperrt, ein Drittel aller Pfarren ist heute priesterlos, gläubige Christen Bürger zweiter Klasse. Trotzdem wächst ihre Zahl — nicht nur in der Slowakei, sondern auch unter den Tschechen!

• Deutsche Demokratische Republik: Das Konzept der evangelischen Mehrheitskirche, zunehmend auch der katholischen Kirche, ist auf extensive Inanspruchnahme gewährter Möglichkeiten gerichtet. Das schließt bewußt Dienste auch für Nichtchristen (Diakonie, Caritas, Friedensbe wegung) ein. Der Staat weicht offener Konfrontation derzeit aus.

• Jugoslawien: die Kirchen (31% Katholiken, 40% Orthodoxe, dazu 16% Muslime) sind in der inneren Organisation frei, werden von außen überwacht, doch können die Bischöfe und Priester (z. Unterschied von der DDR) frei aus- und einreisen. Im Berufsleben werden Christen diskriminiert.

• Bulgarien: Alle Bemühungen, atheistische Staatsrituale an die Stelle religiöser Festzeremonien zu setzen, scheiterten am bulgarischen „inat" (Jetzt-schon-gar- nicht-Haltung). Die dominierende orthodoxe Kirche hat einen leidlichen modus vivendi gefunden.

• Rumänien: Die r.-k. Kirche wird als Kirche der „Nichtrumänen“ (Siebenbürger Magyaren,

Banater Schwaben) besonders diskriminiert, kein Bischof, keine Zeitung, viele Schikanen. Die unierte Kirche wurde, weil Vermittlerin des rumänischen Nationalbewußtseins, zwangsweise der orthodoxen eingegliedert, deren Spitzenvertreter im Westen als Feigenblatt’ hergezeigt werden. Viele unierte Bischöfe und Gläubige schmachten in Gefängnissen, trotzdem dürfte es Hunderte Untergrundpriester geben.

• Albanien:Seitl967sindalleRe- ligionsgemeinschaften gesetzlich verboten. Daß in den letzten Jahren laut Statistik nur vier Prozent Heiraten über Konfessionsgrenzen hinaus stattfanden, beweist, daß der Staat weiß, daß es Religion noch gibt — und daß diese durch Abkapselung verteidigt wird.

# Sowjetunion: Die Verfassung erlaubt Kult-, nicht Religionsfreiheit. Die orthodoxe Hierarchie dient dem Staat „wie Beamte“ (Sinowjew), junge Orthodoxe versuchen wieder Eigenständigkeit. Die Katholiken in Lettland und Litauen bekommen erstmals seit vielen Jahren wieder ein bißchen Luft zum Atmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung