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Lagune gegen Sklavenjäger

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Das Land ist so groß wie Österreich, hat jedoch kaum mehr als dreieinhalb Millionen Einwohner. Ackerbau und Viehzucht bestimmen das Leben, die Industrie steckt in den Kinderschuhen. D,as Christentum, der Islam und alte Geister- und Ahnenkulte wurden zu einem merkwürdigen Glaubensamalgam verbunden: in Benin, dem einstigen Königreich Dahomey, das 1960 als französische Kolonie in die Freiheit entlassen wurde und seit 1977 als Volksrepublik zwischen den politischen Einfluß-

sphären Rotchinas und der UdSSR lebt. Benin wird jetzt von Europa und vom europäischen Tourismus entdeckt.

Künmierten sich früher bestenfalls ethnographische Museen um dieses Land, so zeigen jetzt auch die UNESCO und die Internationale Denkmalschutz-Organisation ICOMOS in Paris Interesse, dem Benin bei der Konservierung seiner Kulturschätze zu helfen. Denkmalschutz und Nationalgü-terschutz bestehen als geistiges Erbe der französischen Kolonialherrschaft zwar auf dem Papier, die FüUe bedeutender Kulturobjekte imd Ensembles, die der Benin zu bewahren hat, überfordert den Staat.

Kulturgüterschutz ist eine Frage der Finanzierung, aber auch eine Frage der geistigen Bindung der Bevölkerung an ihre Geschichte, also eine Frage der Identität. Geschichte und Geschichtsbewußtsein wurden im Benin aber durch die französische Kolonialherrschaft seit dem 19. Jahrhundert fast ausgelöscht. Die dem alten afrikanischen Stammesleben ohnedies fremde Idee musealer Konservierung bewußt zu machen, ist äußerst schwierig. So kämpft das Ethnologische Museum in Porto Novo, der im 16. Jahrhundert von den Portugiesen befestigten Königsstadt, Jahr für Jahr gegen Überschwemmungen seiner Kellerräume bei Wolkenbrüchen. Bedeutende afrikani-

sche Skulpturen, Kultobjekte und historische Waffen sind von der Zerstörung bedroht. Aber solche Probleime mobilisieren kaum jemanden. Und in der Portugiesenfestung der Königsstadt Ouidah muß der junge Kustos mit ansehen, wie bedeutende Kartenwerke, die unter Glas an den Wänden hängen, durch die Luftfeuchtigkeit gefährdet sind.

Einfacher haben es Archäologen und Kulturhistoriker dort, wo historische Stätten ins Alltagsleben integriert sind. Wie etwa in der Tempelanlage des Pythongottes in Ouidah, die noch immer ein - freilich restaurierungsbedürftiges - religiöses Zentrum ist. Oder in der bizarr-malerischen Lagunenstadt Ganvie, einer Pfahlbaustadt, die im 17, Jahrhundert als Fluchtburg gegen Sklavenjäger angelegt wurde, als

„Venedig Afrikas“ Berühmtheit erlangte und noch bewohnt wird. Mit Sorge fragen sich die Ethnologen, wie das fragile Ganvie mit seinen luftigen Holzpavillons einem künftigen Touristenansturm standhalten soll.

Kritisch wird die Situation auch dort, wo anstelle alter Bautechniken und -materialien neue, also statt Lehm etwa Beton, statt Holz Metall oder Kunststoff, verwendet werden. Werden die prächtigen Lehmburgen der Sombaf ami-lien mit ihren malerischen Turmanlagen, Dachterrassen und den Fetischhügeln im nördlichen Benin mehr und mehr durch Einfamilienhäuser europäischer Produktion ersetzt? Wer wird dann an die Restaurierung dieser Som-baburgen denken?

Derzeit wird mit wissenschaftlicher Akribie der Königspalast

von Abomey, eine Anlage aus dem 18. Jahrhundert, schrittweise restauriert, zum Teil sogar rekonstruiert. So ist der Festsaal mit den Thronsesseln der Könige bereits Teil des Museums, das Schatzhaus wird gerade aufgebaut, die Befestigungsanlagen werden restauriert, und in den Dienerschafts- und Gardegebäuden wurden Kunsthandwerker und Handweber angesiedelt.

Diese Rettungsaktion ist freilich auch in den engen Beziehungen der Bevölkerung zum Königtum begründet. Der Volksrepublik zum Trotz werden noch heute Riten der Königsehrung vollzogen. So halten in den Mausoleen der Könige Guezo und Glele von Dahomey und des Königs Behan-zin, der von den Franzosen 1894 ins Exil geschickt wurde, frühere Prinzessinnen Wache und spenden den Toten jeden fünften Tag Speisen. Nicht ohne Stolz berichten heute noch schwarze Genealogen, daß etwa an die dreißig Prozent der Bewohner Abomeys Prinzessirmen und Prinzen seien. Was dem Denkmal- und Kulturgüterschutz weit mehr hilft als Geld.

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