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Laien — Zukunft für die Kirche

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Der Laie - Konkurrent oder Agent der Hierarchie? Den Bischöfen unbequemer Partner im innerkirchlichen Raum oder deren verlängerter Arm in der Welt? Eine etwas überspitzte Fragestellung zu einem brandaktuellen - Bischofssynode 1987 in Rom! - Thema.

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Der Laie - Konkurrent oder Agent der Hierarchie? Den Bischöfen unbequemer Partner im innerkirchlichen Raum oder deren verlängerter Arm in der Welt? Eine etwas überspitzte Fragestellung zu einem brandaktuellen - Bischofssynode 1987 in Rom! - Thema.

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Die Kirche fühlte sich in den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte in die Welt gesandt, „um den Heiden den unergründlichen Reichtum Christi zu verkünden“ (Eph 3,8). Der Heiden aber gab es viele, und sie hatten den Kaiser und die riesige Macht des römischen Staatsapparates auf ihrer Seite.

Als aber das Christentum im Jahre 386 durch Kaiser Theodosi-us zur Staatsreligion erklärt wurde, konnte sich die Kirche der Tauf bewerber kaum mehr erwehren. Diese wollten auch möglichst rasch getauft werden, um die da-

mit verbundenen Vorteile nützen zu können. Die Einführung in den Glauben sowie die Eingliederung ins kirchliche Leben wurden nachgeholt. Dazu wurden Kirchen gebaut und .Pfarrer“ angestellt. Diese standen nun vielen Getauften gegenüber, die tatsächlich Laien im heutigen profanen Sinn des Wortes waren: Sie verstanden nichts von Glaube und Kirche, hatten nichts mitzureden und waren bloße Objekte der Betreuung und Unterweisung.

Durch diese Entwicklung hat sich die ursprüngliche Spannung zwischen Kirche und Welt zu einer Spannung zwischen Klerus und „Laien“ innerhalb der Kirche verlagert. Das muß man vor Augen haben, will man begreifen, welche Wende das II. Vatikanische Konzil eingeleitet hat. Hier wurde mit aller Deutlichkeit gesagt: Nicht die Priester sind zu den Laien gesandt, sondern die Kirche zur Welt. Es gibt „kein Glied, das nicht Anteil an der Sendung des ganzen Leibes hätte“ (Priester 2).

Die Ämter Christi sind auf die ganze Kirche bezogen und werden von allen ihren Mitgliedern, wenn auch auf unterschiedliche Weise, wahrgenommen. Als Teilnehmer am dreifachen Amt Christi „haben die Laien ihren aktiven Anteil am Leben und Tun der Kirche“ (Laiendekret 10). In diesem Sinne spricht das Konzil von einer „wahren Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ (Kirche 32).

Es ist verständlich, daß eine so radikale Rückführung der Kirche auf ihre ursprüngliche Gestalt auch Ängste und Befürchtungen auslöst. Es wurde um die Identität des Amtspriesters gebangt und eine teilweise verwirrende, teilweise ermüdende Debatte um das „Priesterbild“ in Gang gesetzt. Es wurde befürchtet, daß in einer Kirche, in der sich die Laien ihrer Würde und Sendung voll bewußt sind, den Bischöfen und Priestern

keine spezifischen Kompetenzen mehr zuerkannt würden und die Führung aus der Hand genommen würde. Das hat dazu geführt, daß trotz häufiger Beteuerung der Bedeutung des Laien die Umsetzung in Maßnahmen und Rechte recht restriktiv gehandhabt wurde.

Das zeigt sich zum Beispiel darin, daß sämtliche kirchliche Gremien, an denen Laien mitwirken (wie der Pastoralrat und der Pfarrgemeinderat), nur beratende Funktion haben dürfen. Nicht alle Aussagen und Absichten des Konzils sind im neuen Kodex des Kirchenrechts berücksichtigt worden. Auch in den für die Bischofssynode 1987 ausgesandten Lineamenta (Richtlinien) ist eine tendenzielle Auswahl von Konzilszitaten und eine Verengung der Linie des Konzils festzustellen.

Der Entschluß, die Bischofssynode '87 mit dem Thema „Die Laien in der Kirche“ zu befassen, hat

eine Bedeutung, die kaum überschätzt werden kann.

Für die Behandlung dieses Themas bei der Synode wird entscheidend sein, ob man das Prophetenamt aller Kirchenmitglieder ernst nimmt. Das Konzil hat nicht nur die Unfehlbarkeit des Papstes bekräftigt, sondern auch gesagt: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben, kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Ubereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert“ (Kirche 12).

Es wird sich zeigen, ob das Lehramt den breiten Graben überwinden kann, der in mancher Hinsicht zwischen dem von ihm verkündeten und dem faktisch

geglaubten Glauben der Kirchenmitglieder insgesamt besteht. Man wird sehen, ob die Leitung der Kirche bereit ist, die Gewissensüberzeugung einer Mehrheit ihrer Mitglieder in Fragen des Glaubens und der Sitte ernst zu nehmen, zumal heute durch die Methoden der Soziologie ein Instrumentarium zur Verfügung steht, eine tatsächlich übereinstimmende Uberzeugung festzustellen. Das betrifft Fragen der Wirtschaft und der Rüstung ebenso wie Fragen der Ökumene oder der Sexualethik.

Man wird sehen, in welchem Maß das Hirtenamt des ganzen Volkes Gottes ernstgenommen wird. Wenn die Laien weiterhin nur Berater des Klerus sein dürfen und nicht auch Entscheidungsträger für jene Bereiche werden, in denen sie kompetent sind und die Kirche zu vertreten haben, bleibt dieses Hirtenamt nichts als eine bloße und noch dazu schwer

verständliche verbale Beteuerung. Wenn sie bei der Bestellung der amtlichen Hirten rein gar nichts mitzureden haben, wird man den Laien schwer begreiflich machen können, daß sie selbst auch eine Verantwortung als Hirten der Kirche haben.

Es wird sich zeigen, ob man tatsächlich an das gemeinsame Priestertum aller Kirchenmitglieder glaubt und ob man Formen findet, es auszuüben. Wird man an eine erlösende und vergebende Wirkung der Verkündigung durch Laien und einer von ihnen geleiteten Liturgie glauben — oder wird das alles nur als Vorbereitung für das Tun des Priesters angesehen werden? Das Gebet um geistliche Berufe bedarf dringend der Ergänzung durch ein Gebet um Laien, die sich ihrer geistlichen Berufung durch die Taufe und Firmung bewußt sind.

Der Autor ist Professor für Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Hochschule Linz.

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