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Land der Witwen undderWaisen

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Nach Jahren des Krieges, des Massenm ords und der Besetzung, immer am Rand des totalen Untergangs, kehrt • Kambodscha allmählich zu einem normalen Leben zurück. A llerdings: Dies geschieht unter vietnamesischer Schirmherrschaft, was vielen außerhalb und innerhalb Kambodschas überhaupt nicht paßt.

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Nach Jahren des Krieges, des Massenm ords und der Besetzung, immer am Rand des totalen Untergangs, kehrt • Kambodscha allmählich zu einem normalen Leben zurück. A llerdings: Dies geschieht unter vietnamesischer Schirmherrschaft, was vielen außerhalb und innerhalb Kambodschas überhaupt nicht paßt.

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„Unser Land ist eine Welt von Witwen und Waisen; dieser Zustand ist äußerst schmerzlich", sagte der gegenwärtige Präsident der Volksrepublik Kambodscha, Heng Samrin, in einem Interview mit der Hongkonger Zeitschrift „Asiaweek".

Die von Heng Samrin geleitete Befreiungsbewegung NUFSC (=National United Front for the Salvation of Cambodia, Nationale Vereinigte Front zur Errettung Kambodschas) stürzte zusammen mit einigen vietnamesischen Divisionen im Dezember 1978 das Mörderregime der Roten Khmer unter Pol Pot. Seither versucht seine Regierung, normales Leben in das Land zurückzubringen.

Freilich, die allzu massive Hilfe der Vietnamesen und der Umstand, daß auch heute noch etwa 200.000 vietnamesische Soldaten in Kambodscha stationiert sind, zeigt deutlich, daß die sogenannte Befreiung eigentlich eine neuerliche Besetzung durch den agres-siven Nachbarn darstellt. Heng Samrin braucht aber die Vietnamesen, um die Partisanen der Roten Khmer im Westen des Landes in Schach halten zu können.

Somit wurde das ausgeblutete Kambodscha zü einem weiteren^pielplatz der internationalen Machtpolitik. Denn: - - t

• Vietnam strebt seit seiner Wiedervereinigung (1975) die sogenannte „Indochinesische Föderation an, eine politische Einheit der drei Länder Viegam, Laos und Kambodscha unter der Führung Hanois. Dies haben die vietnamesischen Kommunisten beinahe erreicht: Laos ergab sich bereits 1976 vollkommen den Machtansprüchen Vietnams.

• Als indirekter Hauptnutznießer dieser Strategie steht die Sowjetunion im Hintergrund, die sich die Kriege des südostasiatischen Partners etwas kosten läßt. Denn ohne die Unterstützung der UdSSR und des Ostblocks könnte Vietnam niemals überleben.

Deswegen auch ist Hanoi 1978 dem COMECON beigetreten. Zu Beginn des Krieges mit Kambodscha flössen etwa zwei Millionen US-Dollar täglich

in die vietnamesische Staatskasse, gespendet von Moskau und den osteuropäischen Brüdern. Mittlerweile wurde der Geldhahn aber wieder etwas zugedreht.

• Auf der Gegenseite in dieser Arena, in der das Trauerspiel Kambodscha aufgeführt wird, steht China, das bis vor kurzem die Roten Khmer bedingungslos unterstützte. Ja selbst eine kostspielige Strafexpedition gegen den südlichen Nachbarn nahm Peking im Februar 1979 in Kauf, um die Roten Khmer in ihrem Partisanenkampf gegen die vietnamesischen Besatzer zu entlasten..

• Ebenfalls direkt betroffen ist die Staatengruppe der ASEAN (Verband Südostasiatischer Nationen: Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien und Philippinen). Vor allem Thailand, das die Flüchtlingswelle aus Kambodscha schlucken mußte und seine östliche Grenze ständig bedroht sieht, reagierte scharf auf die vietnamesische Einmischung in Kambodscha.

Dieses Netz unterschiedlicher Inter-essenslagen und der Umstand, daß die nach Völkerrecht einzig rechtmäßige Regierung ihr eigenes Land an den Rand der Vernichtung gebracht hat, macht die verschiedenen Lösungsversuche von vornherein fast unmöglich. Die vietnamesische Besetzung aber und das Marionettenregime Heng Samrins sind, völkerrechtlich gesehen, ebenso wenig tragbar. Welche Möglichkeiten bleiben also übrig?

Die zwei Schlüsselfiguren für eine kambodschanische Lösung sind Prinz Sihanouk und der ehemalige Premier Son Sann. Beide leben im Exil und verfügen über eine eigene Befreiungsarmee, die jedoch nicht im Stande wären, die Roten Khmer, geschweige denn dįp Vietnamesen aus Kambodscha zu vertreiben. Sihanouk genießt beim kambodschanischen Volk nach wie vor großes Ansehen und ist der Hauptkandidat für die Führung einer Einheitsfront gegen Vietnam.

China ist nur zögernd bereit, seinen alten Freund Sihanouk bei diesem Vorhaben zu unterstützen, obwohl sich Peking kürzlich bereit erklärte, nicht nur die Roten Khmer, sondern auch die anderen militärischen Gruppen mit Waffen zu beliefern. Und immerhin: Peking will die Roten Khmer auch dazu überreden, an einer Einheitsfront teilzunehmen.

Bleibt aber immer noch die schwerwiegende Frage, was geschehen soll, wenn die Vietnamesen samt dem Heng-Samrin-Regime wirklich aus Kambodscha vertrieben werden sollten? Sihanouk stellt sich Wahlen unter UN-Pa-tronage vor, Entwaffnung aller Armeen und die Wiederherstellung der Demokratie.

Doch ist dies alles unwahrscheinlich. Son Sann will seine eigene Form der Republik gründen, und die Roten Khmer zeigen wenig Anzeichen, von ih-. rem Kurs eines Steinzeitkommunismus’ abzuweichen

Der Status quo wird nicht so leicht zu ändern sein; selbst die vorgeschlagene internationale Konferenz über Kambodscha, als deren Tagungsort unter anderem auch Wien genannt wurde, dürfte nicht viel bringen. Und wahrscheinlich wird sie nicht einmal Zustandekommen, denn Vietnam, Laos, Heng Samrin und die UdSSR lehnen eine Beteiligung ab.

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