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Landluft ist jetzt gefragt

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Der Niederösterreichische Bauernbund der ö VPfeierte im Juni, vor der Erntezeit, sein 75jähriges Bestehen: mitten im Herzen der Bundeshauptstadt am Wiener Graben. Natürlich gab es auch politische Veranstaltungen. Vor allem ging es den Bauern aber darum, Freunde und Verständnis in der Stadt zu finden: mit einer Ausstellung „Brot und Grün’, mit kulturellen Darbietungen und Bauernmärkten, mit einem Streichelzoo für Kinder. Das Interesse war groß.

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Der Niederösterreichische Bauernbund der ö VPfeierte im Juni, vor der Erntezeit, sein 75jähriges Bestehen: mitten im Herzen der Bundeshauptstadt am Wiener Graben. Natürlich gab es auch politische Veranstaltungen. Vor allem ging es den Bauern aber darum, Freunde und Verständnis in der Stadt zu finden: mit einer Ausstellung „Brot und Grün’, mit kulturellen Darbietungen und Bauernmärkten, mit einem Streichelzoo für Kinder. Das Interesse war groß.

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Dem Schöpfungsauftrag „Macht Euch die Erde untertan!“ kommt ja im Industriezeitalter gerade für die Bauern eine immer wieder neue und außerordentlich verantwortungsvolle Bedeutung zu. In einer Zeit gewaltiger Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung hat der Bauer mehr denn je für Umweltpflege und Umwelterhaltung zu sorgen. Im Interesse aller Staatsbürger, nicht zuletzt auch der Großstädter.

Nicht nur zur materiellen, sondern auch zur ideellen Umwelterhaltung im weitesten Sinne des Wortes leisten die

Bauern ihren entscheidenden Beitrag. Und zwar vor allem dort, wo das am wirksamsten ist: in der kleinen, überschaubaren Gemeinschaft, im Wohnort, in der Pfarrgemeinde.

Um das Verständnis der Allgemeinheit für die Bauern zu verbessern, haben wir im Juni in Wien am Graben mit einer Ausstellung unter dem Titel „Brot und Grün“, mit Brauchtumsdarbietungen und vor allem in unzähligen persönlichen Gesprächen versucht, den Bürgern der Bundeshauptstadt anschaulich vor Augen zu führen, was die Bauern bedrückt.

Um Verständnis haben schon unsere Vorgänger, die Pioniere der Bauerneinigkeit, schwer ringen müssen. Wir heute haben es nicht leichter.

Als es den Bauern unseres Landes nach jahrzehntelangen vergeblichen Bemühungen und wiederholten Rückschlägen vor 75 Jahren endlich gelungen war, ihre politische Einflußlosig- keit zu überwinden und sich, in Gesellschaft, Wirtschaft und Gesetzgebung Gehör zu verschaffen, hat sie dieser Erfolg von Anfang an auch mit großer Verantwortung erfüllt. Und zwar mit Verantwortung für alle Österreicher, für Heimat und Vaterland …

Wir Bauern haben zu allen Zeiten mehr Vertrauen in die Selbsthilfe gesetzt als in die Staatshilfe. Aber dort, wo die Mittel der Selbsthilfe nicht ausreichen, um unseren bäuerlichen Familienbetrieben in der Wirtschaft und Gesellschaft des modernen Industriestaa-’ tes und im Konkurrenzkampf mit dem Ausland eine entsprechende Position zu sichern, haben Staat und Gesellschaft alle Ursache, ihren entsprechenden Beitrag zu leisten.

Die Notwendigkeit dafür ist allmählich weltweit unbestritten. Die Freiheit und Unabhängigkeit eines Volkes und Staates ist ohne freie, unabhängige Bauern unvorstellbar. Nur eine Gesellschaft, die freie Bauern hat, ist wirklich frei. Wir müssen das unentwegt auch denen in Erinnerung rufen, die es gar nicht gerne hören und die vor allem kei

nerlei Folgerungen aus dieser Tatsache ziehen wollen …

In einer Zeit, in der vor allem die junge Generation in den Städten immer lauter nach alternativen Lebensformen, nach einem neuen Sinngehalt der Arbeit ruft, muß es uns gelingen, der Allgemeinheit bewußt zu machen, was die Erhaltung freier, leistungsfähiger bäuerlicher Familienbetriebe für Volk und Staat bedeutet.

Wir müssen auf breitester Basis der Überzeugung Durchbruch verschaffen, daß die Gesellschaft freie Bauern

braucht. Und zwar jetzt notwendiger denn je.

Wir müssen allen unseren Mitbürgern bewußt machen, daß Umwelt, Ernährung und ständig erneuerbare Energie auf Dauer nur durch leistungsfähige bäuerliche Betriebe gesichert werden.

Wir wollen und müssen den Österrei

chern von heute, und vor allem der sinnsuchenden jungen Generation durch unser persönliches Beispiel vor Augen führen, daß die bäuerliche Familien-, Arbeits- und Leistungsgemeinschaft als Vorbild dienen kann; daß sie einen Ausweg aus Vermassung und Vereinsamung des Menschen von heute weist.

Der alte Spruch „Stadtluft macht frei“, ist längst hinfällig geworden. Landluft ist wieder gefragt.

Und nicht nur die bessere Luft des ländlichen Raumes lockt die Menschen aus den Städten und Ballungsräumen hinaus in die Landgemeinden. Es ist immer mehr auch das Leben in der kleinen, überschaubaren Gemeinschaft, das wieder an Bedeutung und Anziehungskraft gewinnt.

Die Zahl der Vollerwerbsbauern ist zwar auch im stadtfernsten Dorf noch immer im Rückgang begriffen, aber immer mehr unselbständig erwerbstä

tige Mitbürger finden Lebensqualität und Selbstverwirklichung, die ihnen am Arbeitsplatz außerhalb der Landwirtschaft versagt bleiben, in ihren bäuerlichen Betrieben, die sie nur mehr im Nebenerwerb bewirtschaften.

Für so manchen von ihnen gibt es Lebensqualität und Selbstverwirklichung, Arbeit in Freiheit und Eigenverantwortung nur noch am Wochendende. Auch das ist ein Ergebnis des bereits fragwürdig gewordenen Fortschritts unserer Industriegesellschaft.

Darum dürfen wir trotz aller Schwierigkeiten und Belastungen auchdiegro- ßen Vorzüge unseres Bauerndaseins nicht übersehen, das dem Familienleben in der Regel mehr und besseren Raum gibt, als das anderswo der Fall ist.

Dieser Beitrag ist auszugsweise einer Rede von All- landeshauplmann Andreas Maurer anläßlich einer Festkundgebung am Wiener Stephansplatz am 21. Juni entnommen.

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