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Digital In Arbeit

Lange Durststrecke

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Die Hoffnung auf eine echte Besserung der Beschäftigungslage dürfte sich als Illusion erweisen. Auch mittelfristig bleibt die Arbeits losen rate auf höherem Niveau stabil.

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Die Hoffnung auf eine echte Besserung der Beschäftigungslage dürfte sich als Illusion erweisen. Auch mittelfristig bleibt die Arbeits losen rate auf höherem Niveau stabil.

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„Das mittelfristige Wachstum reicht nicht aus, das zusätzliche Angebot zu absorbieren.

Die Arbeitslosigkeit stagniert im Aufschwung und steigt im Ab-schwung", heißt es im jüngsten Monatsbericht des Instituts für Wirtschaftsforschung und weiter: „Immer mehr Arbeitgeber passen die Beschäftigung den kurzfristigen Auslastungsschwankungen an und nützen dabei die Möglichkeiten der Selektion voll aus. Die Last der Arbeitslosigkeit konzentriert sich dadurch immer stärker auf bestimmte Gruppen des Angebots" (Frauen, ältere Menschen, Personen, die aus welchen Gründen immer häufig den Arbeitsplatz gewechselt haben usw. Anmerkung des Verfassers).

Der Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtheit, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, ist in Österreich zwischen 1981 und 1983 von 6,5 auf 9 Prozent angestiegen. In den USA hat er sich verdoppelt (von ca. 6,6 auf 13,3 Prozent), in Großbritannien hat er 36,3, in Frankreich 42,6 und in Belgien sogar 62,8 Prozent erreicht.

Solche Sockelarbeitslosigkeit erweist sich nicht mehr als Flexibilitätspolster, der eine reibungslose Umschichtung von Arbeitskräften in produktivere Bereiche gewährleistet, sondern als Ausschluß bestimmter Gruppen aus dem Wirtschaftsgeschehen.

Was wird die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Zukunft am stärksten beeinflussen? Zunächst sicher die Neuordnung der internationalen Arbeitsteilung. Die alten „Schornsteinindustrien" der Industrieländer geraten immer mehr in jene Entwicklungsphase, durch welche sich die Landwirtschaft bereits durchgequält hat. Seit dem Krieg sind dort drei Viertel aller Arbeitsplätze verschwunden.

Die Frage, ob wir technologisch bedingte Arbeitslosigkeit erzeugen, bleibt eine weltanschauliche. Wer die Organisation von Arbeit in der Marktwirtschaft als inter-essensfreien, durch spontane Kräfte geregelten Prozeß betrachtet, dessen Ziel ein möglichst großes Güter- und Leistungsangebot ist, wird Sättigung als Anpassungsproblem an die Marktkräfte verstehen.

Wer dagegen in der Zuordnung von Arbeit im Marktgeschehen die Austragung von Interessengegensätzen sieht, wird in der Betonung der Gütermaximierung die Beschränkung der Arbeitnehmerinteressen erkennen.

Einige Tatsachen muß man jedoch klar sehen: Der Vorteil der neuen Technologien liegt überwiegend darin, Güter und Leistungen billiger und mit weniger Arbeitskräften herstellen zu können, die in der Produktion anderer Güter Verwendung finden.

Der Nachfrage-Effekt kommt daher oft nur mittelbar über den Umweg kostengünstiger Produktionsprozesse zur Geltung. Die Kostensenkung durch numerisch gesteuerte Maschinen und Computer setzt aber nicht nur zunächst bei konsumfernen Vorprodukten an, sondern verteilt sich in ihrer Wirkung auf kleine Teile vieler Produkte und Leistungen. (Zum Beispiel schlägt sich die Ausstattung eines Betriebes mit Bildschirmarbeitsplätzen erst mit einiger Verzögerung in der Verbilligung der von ihm erzeugten Produkte nieder.)

Die Entwicklung neuer Technologien ist bereits weit gediehen, die materielle Produktion der neuen Investitionsgüter bedarf eines vergleichsweise geringen Arbeitsaufwandes. (Die Computer der dritten Generation werden bereits teilweise von den Computern der ersten Generation gemacht.) In immer neuen Sachbereichen entstehen neue Anwendungsmöglichkeiten mit relativ geringen vorgelagerten Entwicklungskosten.

Die neuen Technologien können damit rasch eine Verringerung der Nachfrage nach Arbeitskräften bewirken, die von der allmählichen Verbilligung vieler Produkte ausgehenden Wachstumsimpulse werden jedoch häufig stark verzögert. Ausgleichsmechanismen früherer Perioden, wie langfristiger Investitionsbedarf, sind aber seltener geworden.

Die Verzögerungen positiver Effekte können dazu führen, daß sie überhaupt ausbleiben, wenn nämlich die Nachfrageeffekte der wegfallenden Einkommen eingesparter Arbeitskräfte zuerst wirksam werden.

Die neuen Technologien können einen Einbruch im Arbeitskräftebedarf mancher Dienstleistungen bewirken, wodurch sich die Arbeit im kleineren, verbleibenden Restsektor noch stärker verteuert. Dadurch werden neuerlich Leistungen aus der arbeitsteiligen Wirtschaft in die privaten Haushalte (z. B. Pfusch) zurückverlagert. Die Finanzierbarkeit der öffentlichen Leistungen wird auf eine harte Probe gestellt.

Die entstehende Arbeitslosigkeit kann zwar mittelbar auf technologische Entwicklungen zurückgeführt werden, ist aber unmittelbar die Folge eines einkommenspolitisch ungelösten technologischen Quantensprungs. Key-nesianische Wirtschaftspolitik könnte sich daher in absehbarer Zukunft weltweit wieder einer gewissen Beliebtheit erfreuen, vorausgesetzt, man paßt die Instrumente an die geänderten Wirtschaftsverhältnisse an.

Der Autor ist Arbeitsmarktexperte des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO)

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