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Langer Atem zur Einheit

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Zum Abschluß der heurigen Gebetswoche für die Einheit der Christen nimmt der Wiener Dogmatikpro-fessor zu den acht Thesen von Heinrich Fries und Karl Rahner Stellung.

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Zum Abschluß der heurigen Gebetswoche für die Einheit der Christen nimmt der Wiener Dogmatikpro-fessor zu den acht Thesen von Heinrich Fries und Karl Rahner Stellung.

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„Die christlichen Kirchen sind sich näher als man meint"—das ist die Auffassung, ja längst erlebte Erfahrung vieler Christen, denen das ökumenische Anliegen mehr bedeutet als eine interessante theologische Modeerscheinung. Wenn das aber so ist, wenn sich christliche Theologen und vor allem viele sogenannte einfache, jedoch engagierte Christen der verschiedenen Konfessionen darin einig sind, daß wirklich trennende konfessionelle Differenzen der Vergangenheit angehören, was hindert dann eigentlich den offiziellen Vollzug der Einheit, auf daß (wieder) die eine, alle Christen umfassende Kirche sei?

In diese ökumenische Situation haben jüngst zwei hochgeachtete katholische Theologen einen un-überhörbaren „Notschrei von Christen" laut werden lassen, „die den Eindruck haben, es gehe in dieser Sache nicht weiter". Sind sie doch, wie viele andere, davon überzeugt, die Einigung der Kirchen sei heute tatsächlich zu einer realen Möglichkeit geworden, die nicht ohne Schuld ungenützt bleiben darf. Unter dem Titel „Einigung der Kirchen — reale Möglichkeit" machen Heinrich Fries und Karl Rahner in acht Thesen konkrete Vorschläge. Sie bringen ihrer Meinung nach entscheidende Argumente dafür vor, daß „in absehbarer Zeit eine Glaubensund Kircheneinheit unter den großen christlichen Kirchen erzielt werden" kann. Die dazu notwendigen Bedingungen ließen sich „in relativ kurzer Zeit" durchaus erfüllen, „wenn man diese Einheit als eine so radikale Verpflichtung von Jesus her empfindet, daß man den Mut hat, viele an sich nicht unwichtige Bedenken zurückzustellen".

Damit ist der springende Punkt genannt: Auf der einen Seite „werden wir aufs neue schuldig, wenn uns die Trennung der Kirche nicht in höchstem Maß betroffen macht und uns alle Anstrengung abverlangt"; auf der anderen Seite sind Bedingungen zu erfüllen, die von allen christlichen Kirchen Konzessionen fordern. Kann es aber, so wird mit Recht die Frage laut, in den Glaubensüberzeugungen, derentwegen sich die Konfessionskirchen doch zerstritten und auseinandergelebt haben, überhaupt Konzessionen und Kompromisse geben, ohne daß man dabei das Gesicht verliert?

Die ökumenisch in großem Engagement wirkenden Theologen Fries und Rahner sind davon überzeugt, daß es gelingen kann, ohne Glaubensverlust. Die Bedingungen, die sie nennen, stellen gerade keine Kompromisse dar, die als Ausflucht oder als schlechter Indifferentismus zu gelten hätten, wenngleich alle Kirchen zurückstecken müsseni sollen diese Bedingungen erfüllt werden.

Doch „zurückstecken" ist im rechten Ökumenismus schon das falsche Wort. Denn in der Frage der wiederzugewinnenden Einheit geht es gerade nicht um ein Zurück, sondern um den entscheidenden Schritt nach vorn, durch welchen eine jede Konfession das ungut Verfestigte der eigenen Tradition auf das bessere, weil christlichere gemeinsame Morgen der Einheit hin verlassen muß.

Was sind nun die Bedingungen, die Fries und Rahner für heute als entscheidend (und als ersten Schritt) ansehen? Auf dem Fundament der laquo; raquo;Grundwahrheiten des Christentums, wie sie in der Heiligen Schrift, im Apostolischen Glaubensbekenntnis und in dem von Nicäa und Konstantinopel ausgesagt werden" und „für alle Teilkirchen der künftig einen Kirche verpflichtend" gelten sollen (These I), sei vereinbart, daß in Zukunft keine Teilkirche ausdrücklich einen Glaubenssatz einer anderen Teilkirche verwirft, die diesen als Dogma festhalten will, wie auch keine Teilkirche eine andere zur Übernahme eines eigenen Dogmas verpflichtet (These II). Es soll der Zukunft anheimgegeben sein, zu einem weitergehenden Konsens in solchen Fragen zu gelangen. (Daß hier die weitestgehende Konzession gerade von der katholischen Kirche verlangt wird, sei nur eben angemerkt.)

Die prinzipielle Anerkennung von Teilkirchen in der einen Kirche, auch auf demselben Territorium, der katholischen Kirche nicht unbekannt oder gar widersprechend (These III), bringt die Notwendigkeit mit sich, die innere Struktur dieser einen Kirche im unabdingbar Geforderten aufzuzeigen. Das geht besonders das Amt der Einheit an, das im „Petrusdienst des römischen Papstes" gegeben ist. Der Anerkennung des so verstandenen Papstamtes durch alle Teilkirchen soll die Weise entsprechen, wie der Papst (jedenfalls in Zukunft) sein Amt verwaltet. Vor allem soll er von seiner Lehrautorität „in einer Weise Gebrauch machen, die juristisch oder sachlich einem allgemeinen Konzil der ganzen Kirche entspricht" (These IV a u. b).

Alle Teilkirchen werden Bischöfe an der Spitze ihrer größeren Untergliederungen haben (These V) und „in einem gegenseitigen brüderlichen Austausch in allen Lebensdimensionen" miteinander leben (These VI). Die angestrebte Kanzel- und Altargemeinschaft der einzelnen Teilkirchen (These VIII) soll vor allem dadurch ermöglicht und getragen werden, daß sich alle Kirchen verpflichten, „von nun an die Ordination durch Gebet und Handauflegung vorzunehmen", um so vor allem bestimmte Schwierigkeiten der römisch-katholischen Kirche zu beseitigen (These VII).

Haben wir hier das Hoffnungspapier eines allzu großen und daher doch unrealistischen Optimismus vor uns? Fries und Rahner sind „pessimistisch hinsichtlich der Frage, ob die Amtsträger all dieser Kirchen in näherer Zukunft eine Einheit zustande bringen" (trotz anerkanntem, oft vorhandenem guten Willen), optimistisch in der „objektiv gegebenen Möglichkeit".

Wer ein ökumenischer Realist ist, kann gar nicht anders, als diesem Optimismus beipflichten, indem er dem Pessimismus auch des eigenen Herzens mit einem Mittel begegnet und zu begegnen allen Christen dringend ans Herz legt, das Gott selbst, der Geber und Hüter der Einheit auch noch in der Zerrissenheit, uns in die Hand gegeben hat: Das Gebet, das sich freilich durch ein echtes Leben als Christ und durch tatkräftiges Wirken im einen Geist im Dienst der Einheit erst als redlich erweist. Dieser Optimismus hat daher auch den langen Atem, der die notwendigen kleinen Schritte in Anstrengung zu tun gestattet. In Österreich gibt es manche Anzeichen eines schon weit Vorangekommenseins, die nicht nur Mut machen, vielmehr die alles überwindende Be-geisterung von immer mehr Christen aller Kirchen zu entfachen imstande sind. Dafür war nicht zuletzt gerade auch der österreichische Katholikentag des vergangenen Jahres ein lebendiges Zeugnis.

EINIGUNG DER KIRCHEN - REALE MÖGLICHKEIT. Von Heinrich Fries und Karl Rahner. Band 100 der Quaestiones di-sputatae, Verlag Herder, Freiburg 1983. 128 Seiten, kart., öS 150,50:

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