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Langeweile bei Medienkonsum

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„So fad", war die schlichte Antwort eines 19jährigen Maturanten auf die Frage, warum er denn so wenig Zeitung lese, Nachrichtensendungen im Rundfunk überhaupt ignoriere und sich „Zeit im Bild" nur dann ansehe, wenn er auf den Sport warte. Daß das kein Einzelfall ist, bestätigen zahlreiche Umfragen und nicht nur die Elterngeneration.

Es stellt sich die Frage, was denn hier schiefgegangen ist, wenn ein Großteil der Jugendlichen die Vorgänge in der Welt, die via Massenmedien exklusiv ins Haus geliefert werden, derart nachlässig behandelt.

Einige sind mit der Antwort rasch zur Hand: Diesen übersättigten, gelangweilten, frustrierten Nachwuchs interessiert gar nichts.

So einfach ist das zweifellos nicht. Erfreuen sich doch zum Beispiel Sportberichte, so lächerlich das als Gegenargument auch klingen mag, einer riesigen Beliebtheit bei allen Altersgruppen. Tatsache ist, daß die vielen langweilig erscheinenden Matchberichte zahlreiche andere Menschen offensichtlich mehr interessieren als weltpolitische Ereignisse. Oder liegt das an der Darstellung?

„Diese nüchterne Art der Nachrichten, durch die der Anschein von Objektivität gegeben werden soll, und die außerdem nicht alle verstehen können! Nur nicht Stellung beziehen, nur keine eigene Meinung äußern! Kein Wunder, daß sich das niemand mehr anhören will, und sich lieber auf so emotionsgeladene Themen wie zum Beispiel die leidige Kernkraftdebatte konzentriert." So äußerte sich ein nach eigener Entscheidung „politisch engagierter" Student, der selbst zugab, Zeitungen höchstens nachlässig durchzublättern und Nachrichtensendungen nur nebenbei zuzuhören, auf die Frage, woher denn dieses Desinteresse komme!

Und in der Tat kann sich auf der anderen Seite ein Zeitungsleser des Eindrucks oft kaum erwehren, wirklich wichtige Themen durch eine zu nüchterne Formulierung, eine zu oberflächliche und einseitige Behandlung verfälscht dargestellt zu sehen.

Jetzt werden wohl alle jene aufschreien, die in socher Emotionalisie-rung riesige Gefahren sehen und meinen, nur durch vorsichtiges Taktieren in der Formulierung könnten Manipulation und Agitation auf ein Minimum reduziert werden.

Andererseits wiederum stellt sich die Frage, wodurch man mehr über einen Problemkreis erfährt: durch zwar glasklare, möglichst durch Zahlen objektivierte, dafür aber kalte und oft anonyme Darstellung, die, wie oben erörtert, bei den meisten beim einen Ohr hinein und beim anderen Ohr hinaus geht; oder eine standpunktbezogene, subjektive, dadurch auch mit Engagement angereicherte Beleuchtung dieses Gebietes.

Dazu ein Beispiel: Als im Hebron-Tal sechs Juden bei einem Anschlag ums Leben kamen, lief diese Meldung auf Schlagzeilen um die ganze Welt. Sie wurde wie alles andere zur Kenntnis genommen - und vergessen.

Tage später konnte man auf der Wiener Kärntner Straße einen schwarz gekleideten Juden sitzen sehen, der in der Bibel las und anscheinend betete, um ihn herum sechs Särge mit Bildern von den Getöteten, deren Eltern, Kindern und trauernden Angehörigen. Zahlreiche Schaulustige standen umher, wirkten betroffen, fragten, was denn hier los sei, von den Schlagzeilen der Vortage keine Rede, diskutierten, schüttelten die Köpfe, mit einem Wort, sie nahmen dieses Geschehen nicht nur intellektuell, sondern auch mit dem Herzen, ich sage „wirklich" auf.

Nun könnte einer zu Recht erwidern, wollte man das gesamte Weltgeschehen auch nur annähernd „wirklich" erfahren, müßte man sich 24 Stunden am Tag damit befassen, gar nicht davon zu reden, daß man dann erst recht abstumpfen würde.

Daraufhin erhebt sich überhaupt die Frage, welchen Sinn es hat, ewig auf dem laufenden zu sein, über alles ununterbrochen informiert zu sein, mitreden zu können. Das scheint aber ein philosophisches Problem zu sein und dürfte über den Umfang dieser Erörterung hinausgehen. Bestehen bleibt folgende Diskrepanz: die Fülle der Geschehnisse auf der einen Seite, die Verpflichtung eines verantwortungsvollen Menschen, sich in irgendeiner Weise mit seiner Zeit und deren Erscheinungen auseinanderzusetzen; und die Schwierigkeit auf der anderen Seite, das alles zu koordinieren.

„Wie stellst du dir eine Information vor, die deinen Anforderungen entspricht?" wurden all die Kritiker gefragt. Ratlose Gesichter, spärliche Antworten: „Den Ist-Zustand von mehreren Seiten subjektiv beleuchten, pro und kontra gegenüberstellen und Kommentare, die wirklich in die Materie einzudringen versuchen, möglichst von Beteiligten und nicht von Außenstehenden verfaßt, alles darauf abzielend, ein möglichst realistisches Bild, keine Scheinwirklichkeit, entstehen zu las-sen.

Utopische Forderungen? Vielleicht auch ein Beitrag zum besseren Verständnis der Realität.

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