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Langfristig zur Kassa

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Die Streiksituation im Dezember brachte den Bediensteten des österreichischen Rundfunks zwar rückwirkende Gehaltserhöhungen von 70 Millionen Schilling für das Jahr 1971 und insgesamt 90 Millionen mehr im Jahr 1972 — trotzdem aber beteuert der kaufmännische Direktor des österreichischen Rundfunks, Helmut Lenhardt, daß von unvorhergesehenen Mehrausgaben, die seine Voranschläge ins Wanken bringen könnten, keine Rede sein könne. Denn mit diesen Erhöhungen wurde, so Lenhardt, bereits seit Monaten gerechnet — gestritten wurde nur über das Wie und über das Wann.

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Die Streiksituation im Dezember brachte den Bediensteten des österreichischen Rundfunks zwar rückwirkende Gehaltserhöhungen von 70 Millionen Schilling für das Jahr 1971 und insgesamt 90 Millionen mehr im Jahr 1972 — trotzdem aber beteuert der kaufmännische Direktor des österreichischen Rundfunks, Helmut Lenhardt, daß von unvorhergesehenen Mehrausgaben, die seine Voranschläge ins Wanken bringen könnten, keine Rede sein könne. Denn mit diesen Erhöhungen wurde, so Lenhardt, bereits seit Monaten gerechnet — gestritten wurde nur über das Wie und über das Wann.

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Das Papier mit den Vorstellungen des ORF betreffend dessen Zukunft und mit den Alternatiworstellungen über seine finanzielle Sicherung — und die Bedeckung der Personallasten, die unablässig steigen — konnte allerdings nicht, wie ursprünglich geplant („Furche“ Nummer 44/1971), noch im alten Jahr oder Anfang des neuen dem Aufsichtsrat zugeleitet werden. Neuer Termin: Ende Jänner oder Anfang Februar; jedenfalls sollen zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrates der langfristige Investitionsplan und die langfristige Finanzvorschau auf dem Tisch liegen.

Die nach langwierigem Gerangel zwischen den drei Vertragspartnern der FBV (Frede Betriebsvereinbarung) ausgehandelte Lösung brachte eine Anhebung der ORF-Bezüge um durchschnittlich 12 Prozent. Dafür, daß fast neun Monate vergehen mußten, bis es zur schweren Geburt dieses Kompromisses kam, macht man in den Direktionsetagen vor allem Versuche der Gewerkschaft rechtzeitige Geldspritzen, Wert gelegt. Einzelheiten sind dem kaufmännischen Direktor nicht zu entlocken; Alles Nähere werde im Papier aus der Argentinierstraße stehen und die Aufsichtsräte würden dann zu entscheiden haben, was geschehen soll.

Diese, die Aufsichtsräte, dürften freilich auch jetzt schon einschlägige Überlegungen anstellen. Der Wortführer der SPÖ-Fraktion im Aufsichtsrat, SPÖ-Zentralsekretär Marsch, will sich allerdings um keinen Preis jetzt schon präjudizieren: „Ich will jetzt gar nichts sagen, schon in Anbetracht meines Prozesses mit dem Generalintendanten. Stellung kann ich erst nehmen, wenn ich weiß, wie die Lage ist.“ Marsch, der vor mehreren Wochen in der „Neuen Zeit“ Überlegungen über mögliche Einnahmenerhöhungen via Werbeeinnahmen angestellt hat, deutete gesprächsweise immerhin an, seiner Meinung seien Auftragsproduktionen teurer als der Einkauf von Filmen.

Etwas kommunikativer gab sich verantwortlich, zunächst 9 Prozent Lohnerhöhung durchzudrücken und erst nachher über die Konsequenzen der sogenannten Arbeitsplatzhewer-tung zu reden. Demgegenüber beharrte die ORF-Direktion darauf, Arbeitsplatzbewertung und Lohnerhöhungen als ein untrennbares Ganzes zu behandeln; sie konnte diesen Standpunkt letzten Endes durchsetzen.

Während die gewerkschaftliche Forderung eine Anhebung der Bezüge um durchschnittlich 22 Prozent bedeutet hätte, einigte man sich, so Dr. Lenhardt, auf Berücksichtigung der Arbeitsplatzbewertung, rückwirkend mit 1. Jänner 1971, und weitere 5 Prozent, rückwirkend mit 1. April des Vorjahres.

Damit steht der ORF — Forderungen hin, Kompromiß her — zweifellos in der Spitzengruppe der Gehaltserhöhungshof fnungsbranchen, und die Neufestsetzung, sprich Erhöhung der Programmentgeüte, scheint unvermeidlich. Während Dr. Lenhardt zufolge das Fernsehen noch nicht in die roten Zahlen geraten ist, hat der Hörfunk steigende Defizite, die aus dem gemeinsamen Topf abgedeckt werden müssen. In der Wohllebengasse wird dabei größter Wert auf eine langfristige Betrachtung des Problems, sprich Vorwegnähme künftiger Kostenerhöhungen durch der ORF-Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Otto Kranzlmayr (ÖVP); „Wir werden selbstverständlich genau prüfen, wieweit die Erhöhungen notwendig sind, sowohl vom technischen Ausbau als auch von der Programmgestaltung her. Dabei wird es zu einer Interessenabwägung kommen müssen, als mögliche Maßnahmen stehen Erhöhung der Hörer- beziehungsweise Sehergebühren, Erhöhung der Werbetarife, aber auch eine Ausweitung der Werbezeiten zur Verfügung, wobei letztere freilich der Zustimmung des Gesetzgebers bedürfte.“

Kranzlmayr ist sich jedoch „der Tatsache bewußt“, daß eine Vermehrung der Werbezeiten im ORF eine starke Beeinträchtigung der sowieso notleidenden Zeitungen zur Folge hätte, „wobei es gar nicht in meinem Interesse liegt, in Österreich große Zeitungsmonopole zu schaffen“.

Kranzlmayr abschließend: „Wir werden zu prüfen haben, ob eine Erhöhung der Programmentgelte überhaupt notwendig ist, und wenn ja, ob eine Mischung verschiedener Maßnahmen In Frage kommt. Auch wäre zu überlegen, was durch Rationali-sierungs- und Einsparungsmaßnahmen zu machen wäre.“

Immerhin; Über Einsparungen dürfte im ORF noch einiges in der nächsten Zeit zu sagen sein.

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