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LANGSAM ERHOLEN SICH DIE FLUSSE

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Wenn von Gewässerverunreinigung die Rede ist, neigt man dazu anzunehmen, daß es sich um ein Problem nur unserer Zeit handelt. Das ist aber durchaus nicht so. Die Gewässerverunreinigung hat schon vor Jahrhunderten bestanden und die zuständigen Gemeinden hatten diesbezüglich Vorschriften erlassen und bei deren Übertretung Strafen festgelegt.

Bei der Durchsicht einiger Vorschriften aus vergangenen Jahrhunderten fällt auf, daß einerseits die kleinen Gewässer vor Verunreinigung geschützt und andererseits die großen Gewässer zum Abtransport von Schmutzstoffen empfohlen wurden.

Im Banntaidingsbuch des Marktes Gumpoldskirchen vom Jahre 1560 findet man die Vorschrift „Es soll niemanndts aschen oder anndem my st in denn pach auf die gassen werffen da. thuet ain mann dawider, alls offt das geschiecht 72 pf., ain weyb oder weibspild, das ist verfallen 12 pf."

In der Salzburger Stadt- und Polizeiordnung von 1524 wurde verlangt, daß Schmutzwässer am Morgen und am Abend in die Salzach gegossen werden: „... was vnsawberkait in einem hauss ist, Als Abwasch pröder, vnd dergleichen daz Sy die alwegen zu morgens vor tag, vnd abents wann die nacht angeet, an die Salzach tragen vnd ausgiessen."

Die Fließgewässer wurden seit Jahrhunderten zum Abtransport von flüssigen und festen Abfällen mißbraucht.

Bei geringer Fließgeschwindigkeit se-dimentieren die partikulären Schmutzstoffe und es entstehen Schlammbänke, in welchen die organischen Substanzen zu faulen beginnen.

Ende vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts wurde vermehrt über die Lebewesen im Faulschlamm publiziert. Es konnte festgestellt werden, daß sich, je nach der Stärke der Gewässerverunreinigung, typische Organismen entwickeln, so, daß umgekehrt aus den aufgefundenen Organismen auf das Ausmaß der Verunreinigung rückgeschlossen werden kann. So wurde eine Bewertungsgrundlage, das sogenannte Sa-probiensystem, geschaffen. Dieses Sa-probiensystem wurde von Liebmann 1969 modifiziert.

Erhebung der Gewässergüte

Aus den Saprobienstufen wurden die Wassergüteklassen, die, um eine gute und schnelle Erkennbarkeit in Karten zu sichern, in den Farben blau (Gütestufe I), grün (II), gelb (III) und rot (IV) dargestellt werden. Da diese Gütekarten aufgrund biologischer Untersuchungen erstellt werden, werden sie als „Biologische Gütebilder" bezeichnet. Das erste dieser bekannten yierfärbigen Gütebilder wurde in Österreich von Liepolt (1962) herausgegeben. Die Karte läßt viele der IV. Güteklasse zuzuordnende, also rot gekennzeichnete, Gewässerabschnitte erkennen: die Donau unterhalb von Wien und von Linz, die March, die Mur ab Judenburg, die Drau im Raum Villach sowie die Traun und die Ager.

Viele Kläranlagen gebaut

Die im Laufe der Jahre erreichten Verbesserungen sind in den neun weiteren im Abstand von einigen Jahren vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft herausgegebenen Gütebildern zu erkennen. Im derzeit letzten Biologischen Gütebild, Ausgabe 1988/89, sind Gewässerstrecken der Güteklasse IV weitgehend verschwunden. Die Problemgebiete sind jetzt an der Güteklasse III zu erkennen. Die in den letzten Jahrzehnten eingetretenen Verbesserungen lassen sich auf die Wirkung von Kläranlagen und innerbetriebliche Maßnahmen (Kreislaufführung, Rückgewinnung von Inhaltsstoffen) zurückführen.

Die Mur, die Jahrzehnte zu den verschmutztesten Flüssen Österreichs zählte, konnte durch den Bau vieler Kläranlagen, insbesondere der Industrie, wesentlich verbessert werden (Abbildung). Im Rahmen eines 1985 begonnenen Mur-Sanierungspro-gramms (Umweltschutzbericht der Steiermark) wurden Kläranlagen, die eine Schmutzlast von zirka 1,5 Millionen Einwohnergleichwerten aufnehmen können, gebaut. Die Gewässerstrecke, die der IV. und III. - IV Güteklasse zuzuordnen war, ging von zirka 150 Kilometer in den Jahren 1970 bis 1975, auf 112 Kilometer 1980, 35 Kilometer 1986 und null Kilometer im Jahre 1990 zurück. Der Kostenaufwand hat etwa zwei Milliarden Schilling betragen.

Als weiteres Beispiel für eine deutliche Güteverbesserung kann die Lavant angeführt werden. Im Gütebild des Jahres 1973/74 findet man unterhalb der Sulfatzellstoffabrik in Frantschach einen großen der IV. Güteklasse zuzuordnenden Abschnitt. In den Bildern von 1981/83 und 1984/ 85 ist eine schrittweise Verbesserung zu erkennen, die Gütekarte von 1987 läßt nur mehr einen kleinen Abschnitt mit Güteklasse III erkennen und die von 1988 zeigt als schlechteste Einstufung nur mehr die Güteklasse II.

90 Prozent weniger Schmutz

Viel Schmutzstoffe werden durch den Kläranlagenbau auch von der Donau femgehalten. Die meisten wesentlichen Anlagen wurden zwischen 1980 und 1990 in Betrieb genommen. Wenn man eine Verringerung der Schmutzlast um nur 90 Prozent annimmt, ist der Beitrag zur Reinhaltung der Donau gewaltig.

Außerdem wird seit Jahrzehnten der Zustand der Gewässer auch durch physikalisch-chemische und bakteriologische Untersuchungen festgestellt. Dieser Untersuchungsumfang wurde in den letzten Jahren um Parameter der organischen Chemie, zum Beispiel chlorierte Kohlenwasserstoffe, und der Ökotoxikologie erweitert, damit auch noch weitere Gewässerbelastungen zu erkennen sind.

Die Dokumentation erfolgte in Publikationen der Länder und des Bundes. So werden etwa in den vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft herausgegebenen Jahresberichten „Gewässergüte in Österreich" die multidisziplinär erhobenen Daten von ausgewählten Meßstellen aus ganz Österreich tabellenmäßig dokumentiert. Die Dokumentation läßt auch erkennen, daß zum Beispiel Schwermetalle und chlorierte Kohlenwasserstoffe in Österreichs Gewässern kein Problem darstellen. Weitere Anstrengungen müssen unternommen werden zur Herabsetzung des Gehaltes an Stickstoff und Phosphor, insbesondere zum Schutz der Meere und zur Verringerung des Bakteriengehaltes, um spezielle Nutzungen (Freibäder, Bewässerung) zu ermöglichen.

Dieneue Wasserrechtsgesetznovelle 1990 betrachtet das Gewässer erstmals in seiner Gesamtheit im ökologischen Gefüge und bietet mit den begleitenden Gesetzen und Verordnungen viele Handhaben für einen erfolgversprechenden Gewässerschutz, so-daß der Gütezustand durch die neue Gesetzgebung mit großem finanziellem Aufwand weitere Verbesserungen erfahren wird.

Der Autor ist Leiter der Bundesanstalt für Wassergüte in Wien.

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