6836373-1975_17_04.jpg
Digital In Arbeit

Langsamer als Jahn

Werbung
Werbung
Werbung

Österreichs Wehr will in die Luft. Dies, obwohl ihr Kritiker raten, lieber am Boden zu bleiben. Die Gretchenfrage: Abfangjäger oder Soldatenschuhe, gestellt vom ÖVP-Wehrsprecher Tödling, zeigt, daß auch der großen Oppositionspartei 1975 zum Thema Bundesheer nur mehr der Wahlkampf einfällt. Sie hielt sich dabei getreu an ihr Vorbild, an Bundeskanzler Kreisky. Dem Kanzler erscheint wiederum die Sicherheit Österreichs besser durch die UNO-City als durch Überschalljäger gewährleistet. Zieht man die Kosten zu Rate, wirkt des Kanzlers Argument sicher beeindruckend. Vorläufig geschätzte 17 Milliarden für die UNO-Stadt stehen 2,5 geplante Flugzeugmilliarden gegenüber.

Mißt man die Dringlichkeit des Flugzeugkaufs am Zustand der Mannesausrüstung, fällt die Entschei-

dung auoh ohne Wahkampf leicht. Wer Österreichs Soldaten in abgetragenen Uniformen aus dem Gründungsjahr 1956 sieht, will ihnen oft die paar Schillinge für ein neues „Gwand“ schenken. Ob die Glaubwürdigkeit dieses Heeres allerdings noch mit neuen Uniformen zu retten ist, bleibt offen. Saniert man nur die Uniformen, reduziert man das Bundesheer zu einer Operettenarmee, ein Umstand, der in Österreich allerdings sicher kaum Unmut erregt. Zieht man vom politischen Streit den beginnenden Wahlkampf ab, bleibt noch immer ein gerüttelt Maß an Unglaubwürdigkeit für das neutrale Österreich. So fliegt der Privatjet des Wienerwaldkönigs und „Hendl-Braters“ Jahn bereits schneller als die vom Heer derzeit geflogenen SAAB-Maschinen. Vor dem Wahlkampf dachte man

noch nüchtern. Da eine Investition von zwei bis drei Milliarden Schilling, von langer Hand geplant, auch finanziert werden muß, prüft man bereits seit mehreren Jahren geeignet erscheinende Flugzeuge. Die Entscheidung dazu fiel noch einstimmig. Bereits im heurigen Sommer wollte man im Landesverteidigungsrat über den endgültigen Kauf beraten, angesichts einer Bestellzeh von mehreren Jahren auch eine richtige Entscheidung.

Nun bekam man aber offenbar Angst vor der eigenen Courage. Während sioh das Spielzeugflugzeug SAAB 105 ö noch mit bescheidenen 25 Millionen bezahlen ließ, muß man bei einer modernen Überschallma-schine mit mehr als 100 Millionen Schilling rechnen. Diese Zahl, in Wohnungen umgerechnet, ließ die im Wahljahr für Wählerohren sensibilisierten Abgeordneten erschaudern. So droht neuerlich die Gefahr, daß man sioh zuerst zu keiner und dann rasch zu einer halben Lösung entschließt. Verteidigungsminister Pra-ders Flugzeugkauf in Erinnerung, will sich die ÖVP vorerst lieber für nichts entscheiden.

Für den Neutralen bringt ein Waffenkauf immer Probleme. Will Österreich ein NATO-Muster kaufen, verärgert es Moskau.

Hingegen hat sich die schwedische Luftwaffe als europäischer Sparmeister gezeigt. Dies ist aus der Tatsache abzuleiten, daß sie bei einer Stärke von knapp 20.000 Mann 500

Kampfflugzeuge fliegt. Die französische und die britische Luftwaffe haben bei gleicher Flugzeuganzahl eine Personalstärke von über 100.000 Mann. Dies läßt den Schluß zu, daß das schwedische Flugmaterial, im eigenen Land gebaut, besonders auf die Bedürfnisse eines neutralen Kleinstaates zugeschnitten ist.

Die Öffentlichkeit scheint derzeit auf die Beschaffungskosten fixiert zu sein. Wesentlich bedeutsamer für ein kleines Land sind jedoch die Betriebskosten. Ein Mann, der sich gerade nooh einen VW leisten kann, hat wenig davon, wenn man ihm einen Rolls-Royce schenkt. Speziell aber bei den Betriebskosten liegen die Schweden im internationalen Vergleich besonders günstig.

Nimmt man die für Österreich zur Auswahl stehenden Maschinen, nämlich den französischen Mirage F-l, die amerikanische F-5 und die beiden schwedischen Muster SAAB-Draken und SAAB-Viggen, zeigt sich ein deutliches Plus für die Schweden. So ist etwa der Draken in den

Betriebskosten um die Hälfte billiger als der Mirage.

Da Österreich keine eigene Flugzeugindustrie hat und daher die Frage eines Lizenzangehotes nicht besteht, kommt der Frage nach Kompensationsmögl'ichkeiten für die eigene Industrie besondere Bedeutung zu. Da der Viggen im Kampf das große europäische Flugzeuggeschäft (auch die vier NATO-Länder Belgien, Holland, Dänemark und Norwegen wollen neue Ubrschall-jäger kaufen) durch die Amerikaner hinausgedrängt wurde, wäre denkbar, daß schwedische Volvo-Wagen künftig lieber österreichische Sem-perit- als amerikanische Good Year Reifen kaufen. Legt man noch die langjährigen Kontakte und Erfahrungen mit den Schweden dazu, müßte ein Konkürrenzniodell sowohl hinsichtlich des Preises und der Leistung wesentlich mehr bieten. Dies zu prüfen, ist Sache des Landesver-teidiigungsrates. Und zwar bald. Unabhängig vom Wahlkampf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung