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Latein als Weltsprache?
In vier Jahren feiert die Welthilfssprache Esperanto ihr hundertjähriges Bestehen. Ihr Ziel war es, durch eine aus verschiedenen Sprachstämmen künstlich zusammengebaute Sprache das Verständnis der Menschen verschiedener Nationen untereinan-
der zu erleichtern. Betrachten wir heute die geringe Zahl ihrer Anhänger nach hundert Jahren, so müssen wir leider feststellen, daß eine großartige, notwendige, vielleicht sogar notwendende Idee so gut wie gescheitert ist, und es war wohl die Konstruiertheit der Sprache, die zu diesem Mißerfolg geführt hat. Die Esperantisten wurden immer mehr und mehr zu linguistischen Sektierern.
Es bleibt die Frage, ob man eine gute Ięlee, nur weil der erste Versuch, sie zu verwirklichen, mißglückt ist, einfach über Bord werfen darf - wissen wir doch alle, wie sehr sprachliche Verständigungsmöglichkeit zu menschlichem Verständnis beiträgt, von kleinen Gefälligkeiten für Touristen angefangen bis zu entscheidenden Gesprächen, die selbst in gefährlichsten Situationen Vorurteile wegzuwischen vermögen. Es wäre daher hoch an der Zeit, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, die Idee einer Weltsprache durchzusetzen. Dabei soll diese durchaus nicht Muttersprachen ersetzen, sondern nur als einfache, aber allen Menschen mögliche Verständigung schon in den Volksschulen gelehrt werden. Kinder dieser Altersstufen lernen Sprachen bekanntlich am leichtesten.
Und da drängt sich geradezu die Idee auf, das Lateinische an Stelle des konstruierten Esperanto einzusetzen, eine organisch gewachsene Sprache, in ihren Grundzügen leicht zu erlernen, auch leicht zu sprechen.
Allen anderen Sprachen gegenüber hat das Lateinische als Weltsprache vier Vorteile: Zum ersten erweckt es als tote Sprache keine nationalen Eifersüchteleien, wie dies durch Einführung eines weltweiten Unterrichtes etwa des Englischen oder Spanischen zweifellos der Fall wäre.
Zweitens ist seine Grammatik klar, logisch'und einfach.
Drittens entspricht die Aussprache im großen und ganzen der Schreibweise.
Viertens ist das Lateinische durch die katholische Kirche und die Wissenschaft, vor allem die Medizin, seit Jahrhunderten international verbreitet.
Wäre es nicht eine schöne Aufgabe für die Vereinten Nationen, den Beschluß zu fassen, einen elementaren Lateinunterricht an allen Grundschulen der Erde einzuführen? Freilich nur soweit, daß sich Menschen später auf einfache Art verständigen können, um mit Recht vereinte Nationen zu heißen.
Der Autor ist Chefdramaturg des Volksthea- ters Wien.
Bisherige Diskussionsbeiträge zum Thema: „Enteignet das Latein“, FURCHE Nr. 45, „Denken oder büffeln?“, FURCHE Nr. 46.
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