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Lauda-Schau, Gurte und Lenkräde

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Auf der Niki-Lauda-Schau in den Praterhallen der Wiener Messe standen zwar die sogenannten „heißen Eisen“ der Rennfahrer im Vordergrund, aber schon vor und bei der Eröffnung, und auch während der Ausstellung wurde betont für die Verkehrssicherheit geworben. Unser „Fast“-Weltmei-ster, das KfV, das Verkehrsministerium, die Kraftfahrerklubs propagierten mit der Aktion „Tür-Gurt-Start“ das oft lebensrettende Anlegen von Gurten, in der Ausstellung selbst begegnete man auf Schritt und Tritt der „Sicherheit“: Auf dem Opel- und auf dem VW-Stand waren diesbezügliche Experimentierautos zu sehen, und auch beim Zubehör konnte diese Tendenz bemerkt werden, selbst wenn „nur“ Ausstattungen zur Hebung der Bequemlichkeit angeboten wurden, denn Wohlbefinden während der Fahrt trägt häufig zur Vermeidung von Unfällen bei.

So sehr die Werbung für das Anschnallen zu begrüßen ist, so bedauerlich ist es, daß nicht genug Nachdruck auf die Vermeidung von Fehlern gelegt wird, die viele Fahrer aus Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit begehen. Um den Körper einigermaßen weich abfangen zu können, müssen sich die Gurten dehnen, wie in der Fachzeitschrift ADAC-Motorwelt 3/76 ausgeführt wird. Der „Bremsweg“ beträgt maximal 30 cm. Bei starkem Aufprall ist also eine Berührung mit dem Lenkrad nicht auszuschließen. Dazu kommt, daß viele den Gurt zu locker tragen. Zwischen Brust und Gurt darf nur eine flache Hand passen und der Beckengurt muß stramm anliegen. Das gut auch für Automatikgurten. Eine unliebsame Berührung mit dem Lenkrad hängt freilich auch davon ab, wie nah man davor sitzt. Wer dicht hinter dem Lenkrad klebt, hat weniger Chancen. Man sollte so weit weg sitzen, daß man das Lenkrad mit leicht angewinkelten Armen gut bedienen kann. Leider gibt es noch immer Gurte, die sich beim Anlegen verdrehen, auch das trägt zu ihrer Wirksamkeit nicht bei. In diesem Zusammenhang muß leider auch darauf hingewiesen werden, daß die Autoindustrie, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, der sicherheitsgerechten Konstruktion und Anordnung von Lenksäulen und Lenkrädern noch immer viel zu wenig Beachtung schenkt. (Ebenfalls nachzulesen in der erwähnten Zeitschrift und außerdem in der „Automobü-In-dustrie“, Würzburg, 2/76.) Zwar sind die Zeiten vorbei, da unsere Autos lange, starre, also lanzenförmige Lenksäulen hatten, die beim Aufprall meist

Gurt immer wertvoll. „Bei Crash-Tests, aber auch bei der Untersuchung zahlreicher Verkehrsunfälle, sind wir zum Ergebnis gekommen, daß Kopfverletzungen von Autoinsassen bei Seitenaufprall häufig die Folge eines gegenseitigen Kopfaufpralles sind. Und damit könnten auch bei diesem Unfalltyp gefährliche Kopfverletzungen durch Sicherheitsgurten sehr oft vermieden werden.“ Diese Auffassung unterstrich E. S. Kiefer, für Sicherheitsfragen verantwortlicher Ingenieur der Adam Opel AG, Bochum. fürchterliche Verletzungen hervorriefen; man hat geglaubt, mit sich zusammenschiebenden Teleskoplenkungen eine Lösung gefunden zu haben, sie ist jedoch eine von Technikern und Medizinern als umstritten angesehene Anordnung. Der Leiter der Chirurgischen Abteüung im Krankenhaus Schwetzingen, Prof. Gögler, hat (seit 1971) 1260 Unfälle ausgewertet und die Ergebnisse sind in bezug auf die Lenkungsanordnung alarmierend. Nach seinen Erfahrungen helfen bei einer langen Lenksäule, selbst Wenn sie teleskopartig nachgiebig ist, auch Unterbruchkupplungen oder Gelenke nichts, solange der starfe Teü der Säule bis in die Knautschzone ragt.

Vorteilhafter sind kurze Lenksäulen, die abknicken, und zwar so, daß sich die Lenksäule beim Aufprall des Autos nicht aufbäumt Diese Erkenntnisse sind übrigens über ein halbes Jahrhundert alt, sie wurden vom bekannten Autopionier Bela Barenyi, dem Begründer der passiven Sicherheit,' schon damals gemacht, aber bedauerlicherweise viel zu wenig beachtet. Barenyi, jahrelang Entwicklungsingenieur bei Daimler Benz in Stuttgart, übrigens gebürtiger Wiener, wurde erst kürzlich als derjenige Erfinder gewürdigt, dessen Ideen und Patente zahlenmäßig mit ungefähr 2500 diejenigen eines Edison um 100 Prozent übertreffen.

Doch zurück zur Lenkung: die vier von der Sicherheitsforschung verlangten Punkte einer optimalen Anordnung werden erst bei Modellen einer einzigen Automarke auf einmal verwirklicht. 1. Der' Lenkradkranz muß gepolstert sein. 2. Das Lenkrad muß eine große Prallfläche haben. 3. Hinter ihm muß unbedingt ein Pralltopf sitzen, und 4. muß die Lenksäule nach allen Seiten ausweichen können. In einem Grundsatzartikel in der „Au-tomobü-Industrie“ über das Alltagsauto von morgen fordert Barenyi die Typisierung von Lenkrädern. Von über tausend sogenannten „gängigen“ Lenkradmustern werden im Aufsatz lediglich 60 gezeigt, und davon sind nur fünf mit gutem Gewissen als wirklich unfallsicher anzusehen. 90 Prozent aller derzeit im Weltautobau erzeugten Lenkräder dürfen als kriminelle Instrumente bezeichnet werden, und daher ist auch bei den vielfach angepriesenen ' „Sportlenkrädern“ größte Vorsicht geboten. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit werden sie von der Zubehörindustrie als besonders geeignete Geschenkartikel angeboten. Man sollte ohne fachmännische Beratung keine noch so schön aussehenden Lenkräder anschaffen, es sei denn, sie wären durch das wichtigste Sicherheitselement, den Pralltopf, gekennzeichnet.

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