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Leben in der Hitler-Zeit

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Das Aufregende an diesem neuen Buch des bekannten, streitbaren, umstrittenen Verfassers sind die Konfrontationen. Bernt Engelmann konfrontiert seine eigenen Erlebnisse, Erfahrungen als junger Mensch in einem ersten Band seiner Schilderung des Lebens in Deutschland in der Hitler-Zeit immer wieder mit heutigen, von ihm recherchierten Befunden.

Er sucht und findet Menschen, Frauen und Männer, die „dasselbe” wie er mitmachten. Es waren zum Teil Freunde, Bekanntschaften, zum anderen Teil Menschen, die auch der Zufall auf der Straße, in einem öffentlichen Lokal ihm zuführten und die diese Zeit so anders als er erlebten.

„Zwischen Tanzstunde und Folterkeller”: Die Jugendfreundin Marga, die all die Scheußlichkeiten sehr nah mitbekommen hatte, schließt ihr Gespräch mit den Worten: „Es war schön, dich einmal wiederzusehen nach so langen Jahren. Es hat mich sehr gefreut, mal wieder von den alten

Zeiten zu reden. Man vergißt so vieles, und dann plötzlich erinnert man sich wieder daran___Alles in allem hatten wir doch eine herrliche unbeschwerte Jugend, nicht wahr?”

Die Fähigkeit, zu verdrängen, ist eine Weltmacht. Von ihrer Ausmünzung leben nicht wenige Regime.

Bernt Engelmann schildert, „wie damals der letzte Widerstand gebrochen wird”. Er schildert aber auch in einigen ergreifenden Kapiteln „Menschen, die zu helfen verstanden”: Frauen, großartige Frauen, und einen Schneidermeister, der für hohe und allerhöchste SS-Führer arbeitete, und bis 1939 mehrere hundert Menschen, hauptsächlich Kinder und Jugendliche aus jüdi-, sehen Familien, ins Ausland, nach England brachte.

Gejagte, Gehetzte, in den Tod Gehetzte — und eben die „anderen”, die in großer Furcht sich einhausen und hilflos, wehrlos dem Kriege zugeführt wurden: jenem Krieg, der 1939 mit großer Angst, ohne Begeisterung als Schicksal angenommen wurde.

IM GLEICHSCHRITT MARSCH. Wie wir die Nazizeit erlebten. Von Bernt Engelmann. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982.400 Seiten, geb., öS 258,50.

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