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Leben, umgebaut

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Eingriffe in die Erbsubstanz gibt es, seit es Leben gibt. Etwa als Mutation, Veränderung des Erbmaterials nach dem Zufallsprinzip, durch Umweltfaktoren wie Strahlung.

Als es gelang, den Aufbau der DNS (Desoxyribonukleinsäure) und den genetischen Code, der in der DNS aller Lebewesen deren Aufbau verschlüsselt, zu entschleiern, waren die Voraussetzungen gegeben, einzelne komplexe DNS-Bausteine zu isolieren und zwischen verschiedenen Zellen auszutauschen. Dabei benützen die Gentechnologen die Fähigkeit der DNS, sich bei der Zellteilung identisch zu verdoppeln, das heißt ungeschlechtlich zu vermehren.

Die genetische Information für eine erbliche Eigenschaft beziehungsweise zur Produktion bestimmter Stoffe (Proteine) ist in Form eines Code mit nur vier Zeichen auf der „Doppelhelix”, einem aus DNS bestehenden, gewundenen Faden, festgelegt. Jeweils drei Paare von Zeichen bilden, verschieden kombiniert, eine Informationseinheit. Ist ein Gen mit seinen spezifischen Informationen definiert, kann man darangehen, es aus der DNS-Kette zu isolieren. Dies geschieht mit Hilfe sogenannter Restriktionsenzyme, die als DNS-„Schneidewerkzeu-ge” aus verschiedenen Mikroorganismen gewonnen werden. Sie zerschneiden die DNS-Ketten an spezifischen Stellen. Heute kennt man rund 250 zum Teil kommerziell gehandelte Restriktions-nukleasen.

Das Auffinden des richtigen DNS-Stückes entspricht der Suche nach einem Takt auf einem Tonband. Zur Lokalisierung verwendet man radioaktiv markierte Sonden (Nukleotidsequenzen), die einer Negativ-Kopie des gesuchten DNS-Abschnittes entsprechen. Unter optimalen Laborbedingungen lagert sich diese an das gesuchte Original an. Nun isoliert man das Gen aus der DNS-Kette und schneidet mit den gleichen Restriktionsenzymen eine DNS-Kette eines anderen Organismus auf. An den Schnittstellen entstehen einstrangige Enden, die durch Enzyme (Ligasen) verbunden werden können.

Zur Übertragung der DNS-Fragmente von einer Zelle in eine artfremde müssen die Gene so verändert werden, daß in der Wirtszelle die fremde DNS-Sequenz abgelesen werden kann. Diese Aufgabe erfüllen Transportmoleküle, die Vektoren. Sie sorgen dafür, daß das mit ihnen eingeschleuste DNS-Fragment vervielfältigt und die Information in das entsprechende Protein umgesetzt wird.

Als Vektoren benützen die Gentechniker Viren, Bakteriophagen oder Plasmide, ringförmige, frei bewegliche DNS-Moleküle von Bakterien. Als Resistenzfaktoren gegenüber Antibiotika sind sie leicht erkennbar. Die Suche nach einem passenden Vektor erfordert aber oft aufwendige Experimente. Heute werden bereits künstliche Plasmide erzeugt.

Im „Reagenzglas” werden die Transfervektoren mit den isolierten DNS-Fragmenten verbunden und in die Wirtszelle eingeschleust. Nach diesem Rekombinationsvorgang kultiviert man die Zellen in Nährlösungen, wo sie sich im Fermentationsprozeß milliardenfach zu identen Tochterzellen vermehren (klonen). Gleich einer kleinen pharmazeutischen Fabrik produzieren also die eine rekombinierte DNS tragenden Zellen die Substanz, für die der eingeschleuste DNS-Abschnitt codiert ist. Als für den genetischen „Umbau” besonders geeignete Organismen haben sich das am besten erforschte Colibak-terium sowie Hefepilze erwiesen.

Mit der Einschleusung artfremder genetischer Information in Organismen eröffnen sich völlig neue Perspektiven für die pharmazeutische und chemische Industrie, aber auch für die Landwirtschaft. Gentechnisch veränderte Bakterien produzieren bisher seltene, teure Stoffe wie Hormone oder Enzyme. Künstlich hergestellte Gene können ins Erbmaterial von Organismen eingebaut und diese so befähigt werden, Energie zu liefern, Gifte abzubauen oder durch Verwertung von Stoffen Umweltbelastungen zu reduzieren. Neu gezüchtete Pflanzen könnten sogar auf Wüstenböden wachsen.

Schon heute erzeugt man eine Reihe menschlicher Proteine gentechnologisch, etwa Insulin, Interferon, Wachstumshormon, Hepatitis B-Antigen, oder den Tu-mor-Nekrose-Faktor, der für die Krebstherapie interessant werden könnte.

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