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Leben unter dem Throne Maria Theresias

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Lastwagen um Lastwagen, vollbeladen mit Architekturteilen, Skulpturen und Reliefs, Gipsabdrücken und Gemälden aller Epochen, rollten kürzlich vom Kunsthistorischen Museum in das Industriegebiet des 23. Wiener Gemeindebezirks. Darunter: die drei Meter hohen Platten vom größten und an Vielfalt der Darstellungen reichsten Denkmal Lykiens (heute Türkei). Die rund 2.400 Jahre alten Reliefs vom Heroon von Gölbasi, dem antiken Trysa wurden aus Depots in Hinterhöfen und Kellerräumen des Ringstraßenmuseums geholt und in eine von Generaldirektor Wilfried Seipel gemietete Lagerhalle transportiert. Dort sollen sie seinen Vorstellungen nach bloß provisorisch bleiben.

Während dieses Provisoriums werden im unter chronischer Raumnot leidenden Haupthaus nicht nur einige Sammlungen, sondern auch deren Verwaltung, die Bibliothek, die Werkstätten von der Glaserei bis zur Tischlerei, Schlosserei und Elektrikerwerkstatt neu geordnet und eingerichtet. Die Ägyptisch-orientalische Sammlung wird auch verößert.

Und unter dem Maria Theresien-Platz soll für die meisten der ausgelagerten Kunstwerke ein endgültiger Ausstellungsort geschaffen werden. Detaillierte Pläne sind in Ausarbeitung, von den zur Verwirklichung des Projekts veranschlagten 350 Millionen Schilling liegen allerdings erst 200 Millionen Schilling aus der sogenannten Museumsmilliarde bereit.

Baubeginn 1994

Als Baubeginn der unterirdisch angesiedelten Schauräume zwischen Kunsthistorischem und Naturhistorischem Museum und dem im Entstehen begriffenen Museumsquartier in den ehemaligen Hofstallungen ist dessenungeachtet das Jahr 1994 ins Auge gefaßt worden. Dieser Termin entspricht in etwa dem Zeitpunkt, zu dem die Übersiedlungen und Neu-adaptierungen inklusive der Einrichtung einer zentralen Videoüberwachung im Haupthaus sowie der Umbau der Musiksammlung und der Hofjagd- und Rüstkammer in der Neuen Hofburg abgeschlossen sein werden.

Nahezu fertig sind schon jetzt die Arbeiten in der großzügig eingerichteten Werkstätte der Kunstkammer und in der Steinrestaurierung.

Noch heuer zur Gänze generalsaniert werden sich auch die Säle der Gemäldegalerie /Jen Besuchern präsentieren. Im Ephesos-Museum, das als Dependance der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums 1978 ebenfalls in der Neuen Hofburg Unterschlupf gefunden hat, erhalten die Fundgegenstände aus der Metropole der römischen Provinz Asia neue Beschriftungen und eine Beleuchtung. Das bedeutendste Reliefbildwerk römischer Epoche in Kleinasien, das Partherdenkmal, wird ergänzt. Ihm werden Kopien jener Bruchstücke angefügt, die im Rahmen der letzten Ephesos-Kampagnen beim Bibliotheksplatz gefunden worden sind.

Saal für das Gölbasi-Heroon

Für die S chauräume unter dem Maria Theresien-Platz ist in zwölf Meter Tiefe eine Ausstellungsfläche von 7.500 Quadratmetern vorgesehen. Erreichen soll man sie per Lift vom Foyer des Haupthauses aus. Unterzubringen sind auf dem Areal außerdem ein Vortragssaal, ein Raum für Wechselausstellungen der Tapisseriensammlung, die das Tageslicht aus konservatorischen Gründen scheuen muß, sowie ein Raum für das Lapidarium (Steinsammlung) samt den Skulpturen aus der im Corps de Logis des Völkerkundemuseums besonders unglücklich einquartierten Sammlung des Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich-Este.

Vor allem aber sieht der Plan einen zumindest 30 mal 40 Meter großen Saal für das 1881 erworbene Heroon vor, das endlich originalgetreu aufgestellt werden soll. Dieses Grabmal eines lykischen Fürsten besteht primär aus einem 211 Meter langen Fries. Er schmückte innen an allen Seiten, außen nur an der Eingangsfront die Mauern des heiligen Bezirks mit 600, in zwei Reihen übereinander gemeißelten Figuren. Die vor ihrem Abtransport von Gölbasi nach Wien zerlegten Bildstreifen erzählen real vom Leben des namentlich unbekannt gebliebenen Grabherrn, symbolhaft geben sie Szenen aus mehreren Mythen wieder.

Bleibt zu hoffen, daß die nun in eine Lagerhalle verfrachteten Kunstwerke tatsächlich eine ihnen würdige Präsentation finden. Die Milleriiumsfei-erlichkeiten Österreichs im Jahr 1996 wären Grund genug, den jüngsten der vielen seit 100 Jahren geträumten Pläne zur Rekonstruktion des lykischen Grabmals Realität werden zu lassen.

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