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Lebendiges Linz

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Zum zweiten Male veranstaltet Linz an insgesamt vierzehn Abenden das Internationale Brucknerfest. Im Vorjahr veranlaßte der 150. Geburtstag des großen Landessohnes die Gründung eines solchen Unternehmens, und nun soll das Internationale Brucknerfest, mit dem die Initiatoren gute Erfahrungen machten, zu einer festen Einrichtung werden. Linz will eben seit Bestehen des Brucknerhauses, der Konzertstätte von europäischem Format an der Donaulände, auch außerhalb der Saison kulturell mitreden können.

Das Brucknerfest sollte kein lokales Ereignis werden, deshalb ist der finanzielle Aufwand ebenso großzügig wie der organisatorische Einsatz. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 2,6 Millionen Schilling, wovon etwa die Hälfte durch Einnahmen aus dem Kartenverkauf gedeckt ist, während der Restabgang durch Subventionen von Bund, Land und Stadt ausgeglichen wird. Das künstlerische Aufgebot ist international. Es spielen die Wiener Philharmoniker, das Basler Sinfonie-Orchester, die Bamberger Symphoniker, die Münchner Philharmoniker und das Cleveland Or-chestra. Das heimische Bruckner-Orchester wurde unter seinem neuen Ghefdirigenten Theodor Guschlbauer nur für ein Konzert verpflichtet; auch das beweist die Absicht, dem Brucknerfest mehr überregionale Bedeutung zu geben. Am Pult stehen die Dirigenten der Weltklasse Karl Böhm, Moshe Atzmon,Eugen Jochum und Lorin Maazel. Das Programm ist nicht allein Bruckner gewidmet, um einer gewissen Übersättigung vorzubeugen, sondern entsprechend dem Vorschlag des einzigen Generalmusikdirektors von Österreich, Karl Böhm, gepaart mit Franz Schubert. Auch bei den künftigen Internationalen Brucknerfesten soll das Werk Bruckners mit der sinfonischen Literatur jeweils eines anderen österreichischen Meisters — möglicherweise auch mit der Avantgarde — gekoppelt werden. Außer Bruckner und Schubert erscheinen auf dem heurigen Programm Gustav Mahler und Mozart sowie eine Ausstellung des philharmonischen Karikaturisten Ernest Bartolo, je ein Vortrag von Camillo öhlberger und Universitätsprofessor Dr. Leopold Nowak, der Bruckner-Film von Dr. Hans Conrad Fischer, ein Liederabend von Hermann Prey und ein Kammermusikabend mit dem Wiener Fhilharrno-nia-Quintett.

Schon das erste der sechs Orchesterkonzerte im Abonnement, mit den Wiener Philharmonikern, setzte einen Höhepunkt. Das langersehnte Debüt von Karl Böhm in Linz verlief auf eine entsprechend triumphale bis spektakuläre Weise.

Böhm versprach, im nächsten Jahr wiederzukommen und dann drei Tage in Linz zu bleiben, außerdem, das Internationale Brucknerfest 1976 mit Bruckner zu eröffnen. Diesmal dirigierte Böhm zwei Schubert-Sinfonien, die „Zweite“ und „Neunte“, wobei es ihm um ein recht weiches Bild mit dem unverwechselbaren „Wiener Ton“ ging. Die Wiener Philharmoniker — und das muß hier einmal betont werden — haben offenbar den kulturellen Aufschwung in Linz respektiert und ihr verletzendes Vorurteil gegenüber dem „provinziellen“' Publikum endlich abgelegt. Sie spielten ihre Fähigkeiten voll aus — wenn auch vielleicht primär Böhm zuliebe — und berückten durch einen samtenen Streicherklang sowie makellose Präsenz bei den Holz- und Blechbläsern, technische Exaktheit natürlich miteingerechnet.

Mit nahezu ähnlicher Begeisterung wurde der Liederabend von Hermann Prey aufgenommen. Der deutsche Fernsehliebling Nummer eins sang Balladen und Lieder von Schubert nach Texten von Goethe und Schiller, vollendet in der Phrasie-rung und nach einer anfänglich leichten Indisposition mit ganzer Beherrschung seiner Baritonstimme. Als ein herrlicher Mitgestalter entpuppte sich Leonord Hokanson am Flügel, in dem man längst einen Meisterbegleiter von der Größe Erik Werbas erkennt.

Etwas Ernüchterung aus dem Festtaumel brachte das Konzert des Bruckner-Orchesters am 9. September mit Bruckners d-Moll-Messe und Schuberts selten gespielter Symphonie Nr. 6 C-Dur DV 589. Theodor Guschlbauer spornte seinen neuen Klangkörper wohl zu Höchstleistungen an, jedoch die Chöre (Linzer Singakademie und Davidchor Efer-ding), beide gut einstudiert von Johannes Wetzler und Wilhelm Pitroff, aber doch Liebhabervereinigungen, blieben auf dem Niveau des heimischen Konzertalltags stecken. Dafür konnte auch das Aufgebot des repräsentativen Solistenquartettes aus Julia Migenes (Sopran), Margarete Palm (Alt), William McKinney (Tenor) und Franz Crass (Baß) nicht entschädigen.

Das Internationale Brucknerfest nimmt nun weiter international seinen Verlauf. Das Festpublikum auch ausländischer Provenienz war in Erwartung der großen Ereignisse, die sich- mit einem der markantesten heutigen Bruckner-Interpreten, Eugen Jochum, an der Spitze der Bamberger Symphoniker und mit Lorin Maazel am Pult des Cleveland Orche-stras als Finale des Internationalen Brucknerfestes am 22. September ankündigten. “

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