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Lebensabend in den eigenen vier Wänden

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Vor kurzem fand in St. Pölten eine Tagung der Kommunalpolitischen Vereinigung der ÖVP zum Thema „Eigeninitiative statt Bürokratie“ statt. Einer der vier Arbeitskreise dieser Tagung befaßte sich mit der Frage „Eigeninitiative im Sozialbereich“. Breiten Raum nahmen hie-bei die Möglichkeiten ein, die sich durch Entfaltung und Förderung von Eigeninitiative auf dem Sektor der Äl-tenpolitik sowohl für den unmittelbar Betroffenen als auch für die für die Altenpolitik Zuständigen und Verantwortlichen ergeben.

Es steht wohl völlig außer Streit, daß alle, die zur Altenpolitik berufen sind und sich freiwillig zu einer Arbeit für die ältere Generation bereit erklären, ein Optimum für den alten Menschen erreichen und einen Beitrag dazu leisten wollen, daß die Senioren ihren Lebensabend möglichst frei von Sorgen in

Menschenwürde verbringen können.

Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Eine ganz entscheidende und eigentlich eine ganz selbstverständliche Voraussetzung ist die finanzielle Absicherung des alten Menschen. Gewiß spielt auch hier die Frage der Eigeninitiative und der Eigenvorsorge eine nicht unbeachtliche Rolle. Trotzdem dürfte wohl von niemandem bestritten werden, daß es in modernen Staaten, die für sich das Attribut des Wohlfahrtsstaates in Anspruch nehmen, in erster Linie die Aufgabe der Sozialversicherungsträger und des Staates selbst ist, Sorge zu tragen, daß der Lebensabend der älteren Generation finanziell gesichert ist.

Eine noch so perfekte finanzielle Absicherung ist aber noch lange kein Garant für einen glücklichen, harmonischen Lebensabend. Dazu gehört wesentlich mehr als nur der Umstand, daß der ältere Mensch von drückender finanzieller Not befreit ist.

Darüber hinaus sind es vor allem zwei weitere Fragen, die sich jedem alten Menschen stellen. Wo und wie er nämlich seinen Lebensabend verbringen und gestalten kann. Diese beiden Fragen sind schwer genug und jedenfalls nicht ohne Eigeninitiative zu beantworten, es sei denn, eine Gesellschaft betrachtet den älteren Menschen lediglich als ausgesprochenes Fürsorgeobjekt, das es irgendwie zu versorgen gilt.

In einer Gesellschaft aber, die sich mit Recht als humane Gesellschaft bezeichnen will und in der vor allem auch die Grundsätze des Christentums nach wie vor gelten, hat der alte Mensch einen anderen Stellenwert als den eines Befürsorgten oder eines Almosenempfängers.

Es ist eine völlig unbestrittene Tatsache, daß 95 Prozent aller älteren Menschen für ihre alten Tage vor allem einen großen Wunsch haben: Dieser Wunsch besteht darin, daß sie ihren Lebensabend dort verbringen können, wo manche ihr ganzes Leben, viele aber Jahre und Jahrzehnte verbracht haben, innerhalb der eigenen vier Wände, in der altvertrauten, liebgewordenen Umgebung.

Hier haben alle, die sich zum Subsidiaritätsprinzip bekennen, die Bewährungsprobe abzulegen, ob es ihnen nämlich mit diesem Bekenntnis auch tatsächlich ernst ist; hier darf auch das Bekenntnis zum Pluralismus kein leeres Schlagwort bleiben, hier ist die Probe auf das Exempel abzulegen. Hier darf es keine Eifersüchteleien zwischen den verschiedenen Organisationen und Personen, die Altenpolitik machen, geben. Wenn ein“ wirkungsvoller Beitrag dazu geleistet werden soll, daß die alten Menschen in Österreich ihren Lebensabend in der Tat harmonisch und glücklich verbringen können sollen, dann ist dazu soviel Arbeit zu leisten, daß alle jetzt vorhandenen Organisationen und Institutionen bei bestem Willen auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein werden, allen Anforderungen, die an sie gestellt werden, gerecht zu werden.

Gewiß geschieht heute schon einiges, was dazu beitragen kann, vielen alten Menschen das Verbleibenkönnen innerhalb der eigenen vier Wände zu ermöglichen. Es ist sicherlich beachtlich, was innerhalb der letzten Jahre in der Altenbetreuung durch „Essen auf Rädern, Hauskrankenpflege, Wäschedienst, ambulante Krankenschwestern, Nachbarschaftshilfe“ und was es sonst noch alles auf diesem Gebiet gibt, geschehen ist.

Und trotzdem - das alles sind erst ganz bescheidene Ansatzpunkte, die immer wieder ausgebaut werden müssen, wenn tatsächlich eines Tages der Herzenswunsch von Hunderttausenden alten Menschen in Erfüllung gehen soll, daß sie nämlich ihre alten Tage in der ihnen vertrauten Umgebung auch tatsächlich verbringen können sollen.

In diesem Zusammenhang muß eines mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Wenn der Staat oder spnst welche öffentlichrechtliche Körperschaften wem immer, der sich für eine Betreuung alter Menschen selbstlos zur Verfügung stellt, Subventionen welcher Art immer zur Verfügung stellen, dann bedeutet dies keineswegs, daß dadurch und damit womöglich großzügig Gnaden ausgeteilt werden. Vielmehr kommen sie damit lediglich einer moralischen Verpflichtung nach, wozu noch kommt, daß sie sich dadurch obendrein noch eine Unmenge Geld ersparen. Es ist ja wirklich nicht gleichgültig und volkswirtschaftlich keineswegs bedeutungslos, ob alte Menschen durch freiwillige Helfer zu Hause gesundgepflegt werden oder ob sie mangels dieser Pflege auch schon bei der geringsten Erkrankung in ein Spital oder in ein Altenheim eingeliefert werden müssen.

Der Bürgermeister von Poysdorf, in dessen Gemeinde seit zwei Jahren ein Sozialhilfeverein eine ungemein segensreiche Tätigkeit entfaltet, hat es in treffenden Worten zum Ausdruck gebracht, wenn er sagte: Wäre die Gemeinde selbst für die Sozialhilfe zuständig, dann verminderte sich jeder zur Verfügung gestellte Schilling auf 50 Groschen, so aber erspare jeder von wem immer dem Verein zur Verfügung gestellte Schilling das Doppelte, wenn nicht gar das Dreifache.

Dieses Beispiel allein zeigt schon auf, welch ungeheure Möglichkeiten sich bieten, wenn das Subsidiaritäts-prinzip gerade in der Altenbetreuung wirklich Anwendung findet und wenn vor allem auch das Bekenntnis zum Pluralismus als einer Vielfalt von aktiven Institutionen und Personen, die sonst gar nichts wollen, als dem alten Menschen in der Gesellschaft von heute selbstlos und uneigennützig zu dienen, ernstgenommen wird.

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