6931541-1982_30_13.jpg
Digital In Arbeit

Lebenserinnerungen eines „Gentleman-Politikers”

Werbung
Werbung
Werbung

Erfüllte Träume? Ein etwas seltsamer Titel für die Lebenserinnerungen eines Politikers, dessen Ministerschaft nach zwei Jahren ziemlich abrupt zu Ende ging und dessen Hoffnungen auf eine Wiederwahl zum Generalsekretär des Europarates sich nicht verwirklicht haben. So meinen zumindest kritische Zeitgenossen. Sie verfallen aber nur dem gleichen Mißverständnis, das den Menschen Lujo Toncic während der langen Jahre seines politischen Engagements oft begleitet hat. Toncic war und ist nämlich grundverschieden von dem Funktionärstyp, der — links und rechts sowie in der Mitte—in unserer Gegenwart allzu häufig anzutreffen ist.

Groß und schlank, mit guten Manieren und einer gewissen Portion Nonchalance ausgestattet, belesen und daher auskunftsfähig wie ein Lexikon, zudem sprachkundig: so gleicht er jenen „Gentleman-Politikern'4, wie sie für Alteuropa typisch waren, heutzutage aber, ähnlich einem Relikt aus vergangenen Zeiten,'etwas fremd anmuten. Selbst Parteifreunde begegneten dem „ganz anderen” nicht selten mit Mißtrauen, zu-mindestens mit Zurückhaltung.

Lujo Toncic's Erinnerungen haben deshalb auch wenig gemeinsam mit anderen landesüblichen Polit-Memoiren. Trotz allem Interesse und zweifellos auch vorhandenem Engagement für die res publica erschöpfte und erschöpft sich Toncic's Leben nie im Räderwerk des politischen Alltags.

Politik war und ist für den Mann, der sich nun, trotz des wohlgepflegten jugendlichen Touch im Auftreten, langsam dem 70er nähert, nie das Ein und Alles im Leben. Wissenschaftliche Studien aus den verschiedensten

Gebieten haben daneben ebenso ihren Rang behauptet, wie die Lust, die weite Welt kennenzulernen, und die Freude, dem Geheimnis des „ewig Weiblichen” nachzuspüren.

So gesehen haben sich tatsächlich viele Träume des „Kleinen Prinzen” mit der Pagenfrisur, den ein Foto im elterlichen Salzburger Ansitz Fürberg zeigt, erfüllt. Der Heimat der väterlichen Ahnen, Kroatien, ebenso wie Restösterreich, in dem er aufwuchs, in gleicher Weise verbunden, verkörperte Toncic schon in jungen Jahren den Typ des „Großösterreichers”, dem die Zweite Republik ihren Anschluß an ihre eigene Geschichte verdankt.

Eigentlich unnötig zu betonen, daß alle „Deutschtümmelei” oder gar der Anruf des Nationalsozialismus, dem so manche seiner Generationsgenossen verfielen, bei Toncic nur ein negatives Echo auslöste.

Im Salzburger Raum, wo er nach 1945 seine journalistische und später auch politische Karriere begann, war eine solche „betont österreichische” Einstellung nicht unbedingt in allen Kreisen eine Empfehlung. Im Gesandten Eduard Ludwig - dieser war in den Tagen der Ersten Republik ein sehr mächtiger Chef des Bundespressedienstes gewesen und hatte sich nunmehr der Volkspartei als außenpolitisch versierter Abgeordneter zur Verfügung gestellt — fand er aber einen gleich-gesinnten „Fähnrichsvater”.

Aus dem Kreis um die „Berichte und Informationen” heraus wurde ihm durch Ludwig der Weg zu Julius Raab geebnet. Raab, nicht gerade ein Förderer des politischen Nachwuchses seiner Partei — die ÖVP sollte dies einmal mit dem Verlust einer ganzen politischen Generation büßen - fand an Toncic Gefallen. Vielleicht gerade deshalb, weil dieser ein so ganz anderer Typ war als der, den der St. Pöltner Baumeister in seiner gewohnten Umgebung kannte.

Jedenfalls: 16 Jahre blieb Toncic außenpolitisch engagierter VP-Abgeordneter. Eine seiner Sternstunden: Sprecher seiner Partei bei der Neutralitätsdebatte 1955.

Sein allzeit bekundetes europäisches Engagement verführte ihn jedoch nicht, als er Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten in der monocolorenVP-Re-gierung Klaus geworden war, neutralitätspolitische Bedenken zu opfern und sein Segel in den mitunter heftigen Wind des von manchen Seiten betriebenen „Alleinganges nach Brüssel” zu hissen. Ohne Zweifel mit ein Grund dafür, daß Bundeskanzler Klaus bei einer seiner Kabinettsumbildungen Ausschau nach einem weniger „anstößigen” Ministerkandidaten hielt.

Nach der zweijährigen Ministerschaft führte Toncic's Weg in konsequenter Fortsetzung seiner Interessen vom Ballhausplatz nach Straßburg, wo er durch fünf Jahre die Bürde und Würde eines Generalsekretärs des Europarates trug.

Zurück zum Ausgangspunkt: Kluge Marginalien zur österreichischen Innen- und Außenpolitik, Betrachtungen über Europa aus kroatischem Erbe, österreichischer Lebenserfahrung und Straßburger Perspektiven findet der Leser in dem vorliegendem Buch ebenso wie die Wiedergabe der auf ungezählten Reisen gewonnenen Eindrücke.

Persönliche, mitunter sehr persönliche Begegnungen fehlen in ihm nicht. Das gibt den Toncicme-moiren Farbe und erinnert gleichzeitig daran, daß sein Verfasser einst als Journalist auszog, obwohl er als Politiker mit seinen früheren Berufskollegen nicht immer reine Freude erlebte. Eines müssen auch alle diese Kritiker ihm zugestehen: Schreiben hat er nicht verlernt.

Und zu sagen hat er auch etwas.

ERFÜLLTE TRAUME, Kroatien-Oster-reich-Europa. Von Lujo Toncic-Sorinj. Amalthea Verlag, Wien 1982.480 Seiten, Ln., öS 480.-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung