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Lebensmittel

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Fasten ist im herkömmlichen Sinn der bewußte und sparsame Umgang mit Lebensmitteln. Das Wort Lebensmittel“ soll uns deshalb zu einem tieferen Verstand nis des Fastens verhelfen.

Im weiteren Sinn sind all jene Dinge Lebens-mittel, die unserem Leben dienen, die uns beim Leben und Überleben behilflich sind. Genaugenommen kann unser gesamter Besitz dem Leben dienen — und sollte es wohl auch. Doch hier bemerken wir einen eigenartigen Mechanismus: Wenn wir nur wenige Dinge besitzen, dann stehen alle Dinge im Dienst des Lebens. Wenn wir mehr als das Nötigste besitzen, beginnt sich das zu verändern. Und wenn wir sehr viel besitzen, beginnen sich die Dinge gegen uns zu wenden.

Je mehr jemand besitzt, desto größer ist die Gefahr, daß die Güter des Lebens von ihm Besitz ergreifen, ihn tyrannisieren, ihn von sich abhängig machen. Dadurch ist nicht mehr der Mensch Herr über die Dinge, sondern die Dinge werden zum Herrn über den Menschen, Der vermeintlich mächtige und reiche Besitzer ist so zum Sklaven dessen geworden, was ihm Lebensmittel“ sein sollte.

So gesehen bedeutet Fasten, daß ich die Dinge des Lebens daraufhin überprüfe, ob sie mir noch Lebensmittel sind, oder mich schon zu beherrschen beginnen. Indem ich weglasse, was mich beherrscht, beginne ich wesentlich zu werden. Denn was mich besetzt, was mich besitzt, das macht mich zuletzt „besessen“. Und das mag wohl eine der großen Störungen unserer Zeit sein, daß wir von dem besessen sind, was wir besitzen sollten. Nicht der Besitz ist gefährlich, sondern daß der Mensch zum Besitz. seines Besitzes wird. So ist wahres Fasten auch ein Kampf gegen den Dämon des Habenwollens.

Nachdenkübung in der Fastenzeit: Wovon bin ich in Gefahr, abhängig zu werden? Was spielt in meinem Leben eine größere Rolle als es sollte? Was „brauche“ ich, statt es zu „gebrauchen“? Das mag wohl für den einen oder anderen das Essen sein, für viel mehr Menschen ist es wohl das Trinken (das bemerkenswerterweise durch kein Fastengebot eingeschränkt wird). Die Frage nach dem Fernseher ließe sich durch eine Probe aufs Exempel beantworten. Und vorn Auto wollen wir gar nicht erst reden.

Der Phantasie sind beim zeitgemäßen Fasten keine Grenzen gesetzt. Alkoholverzicht an den Wochentagen, einen femsehfreien Tag in der Familie (oder mehrere), statt dessen ein gemeinsam verbrachter Abend? Vielleicht entdeckt man dabei, daß man sich doch noch etwas zu sagen hat.

17. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.

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