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Lebenspoesie

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Die Kälte des russischen Alltags bringt die Phantasie der kleinen Leute zum Blühen. Träume erwärmen das Herz und helfen in einer Welt zu überleben, die nur das Sichtbare anerkennen will und daran scheitert.

Tatjana Tolstajas gesammelte Erzählungen „Sonja" handeln nicht von politischen Reformern und Weltreisenden, sondern von denen, die zuhause sitzen: Der Kinderfrau und Köchin Sonja, die wegen ihrer Beschränktheit und Dummheit zur Unterhaltung der höheren Gesellschaft benutzt wird und trotzdem glücklicher erscheint als die „Realisten". In klarer poetischer Sprache entführt die russische Schriftstellerin in eine Welt, in der andere Maßstäbe gelten und die dennoch genauso wirklich erscheint. Zufällig und plötzlich stürzt so manche sichere Welt in sich zusammen.

Zurück bleiben Menschen, die lernen, mit Hilfe ihrer Träume zu überleben und ungeachtet der Schicksalsschläge mit neuen Hoffnungen das Leben meistern. „Besingen wir das Brachland, das braune Gras, die kalten Erdschollen unter dem furchtsamen Fuß...", ruft „Galja", die kleine Hausfrau, in der Erzählung „Der Fakir" auf dem langen Weg nach Hause in den Gemeindebau. Der Tempel des Herrn „Filin" ist leer, sein rosiger Palast zusammengebrochen, ein kleiner „Fakir" war es nur, der „Galja" die wihre Welt vorgaukelte. „Was soll's, ...das Leben geht weiter...", und ein neuer Winter kommt.

SONJA. Von Tatjana Tolstaja. Aus dem Russischen von Sylvia List. Luchterhand Literaturverlag, Frankfurt am Main 1991.203 Seiten, öS 249,60.

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