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Lefebvre und die Freimaurer

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War es das erste Mal, daß im Gewerkschaftshaus in der Wiener Treitlgasse eine Messe zelebriert wurde? Aber seit die päpstliche Suspendierung dem früheren Missionsbischof Marcel Le- febvre, heute Führer der extremen Traditionalisten in der Kirche, die Gotteshäuser versperrt hat, muß er mit seinen Anhängern in Werkshallen, Privatwohnungen und auf Gewerkschaftsbühnen ausweichen, um die Messe zu feiern, wie sie ihm als alleingültig dünkt - im alten, dem „tridentinischen“ Ritus, mit dem Rücken zum Volk, mit doppeltem Confiteor, ohne Fürbitten, das Latein nur durch die deutschen Texte lang nicht gehörter Lieder unterbrochen.

Wie lange hat man diese Art von Meßfeier nicht mehr erlebt? Wer sich noch aktiv an sie erinnern soll, muß heute über 20 sein. Die Mehrzahl der hier versammelten Menschen, geschätzte 600 im Saal, dürfte den Sechziger überschritten haben. Für sie bedeutet die „alte“ Messe das Gewohnte, das jahrzehntelang Miterlebte. Davon abzulassen, können sie sich nicht entschließen. Darauf verzichten zu sollen, schmerzt. Die tiefgreifenden Änderungen, die das Konzil der Kirche gebracht hat, vermögen sie nicht mitzuvollziehen. Ihrem Unbehagen kommt der Mann entgegen, der sich gegen diese Neuerungen auflehnt.

Darf er das? Wie steht es bei ihm mit dem Gehorsam, wo er doch immer für die Tradition, für den Gehorsam eintritt?

Diese Frage werde ihm immer gestellt, beginnt der suspendierte Erzbischof seinen Vortrag. Aber für ihn zähle nur jener Gehorsam, der sich auf den Glauben an Christus beruft, auf den Glauben, wie er schon in der Taufe gefordert wird. Auf den Glauben, für den die Märtyrer ihr Blut gegeben haben.

Heute aber begännen Priester, Bischöfe, die Kirche diesen Glauben zu zerstören. Sie hätten die Sakramente, den Katechismus, die Bibel verändert, aus der hierarchischen eine de-mokratische und ökumenische Messe gemacht - so sehr, dsiß heute bereits die Protestanten Einerkennen, diese Formen entsprächen den ihren.

Wie konnte es dazu kommen? Nach dem letzten Krieg sei der geistige Einbruch erfolgt, doziert der Erzbischof. Damals habe der Sozisilismus- atheistisch, laizistisch, antikatholisch - die Konsumgesellschaft ein- eführt… (Wirklich der Sozialismus, in der Zeit, da de Gaulle in Frankreich, Degasperi in ItEilien, Adenauer in Deutschland herrschte, von Franco in Spanien gar nicht zu reden?) Schon vor dem Konzil seien die Priesterberufungen zurückgegan- gen, die Jugend verlor sich aus den Pfarren. Man dachte, mit Neuerungen, wie den Arbeiterpriestem, mit dem Ablegen priesterlicher Kleidung, mit Messen in Fabriksälen dem Trend entgegenwirken zu können.

Und dann habe Papst Johannes XXIII. „in seiner Naivität, in seiner Güte und Ahnungslosigkeit“ das „Aggiomamento“ verkündet, habe er sich in dieses Abenteuer gewagt - so gefährlich in dem Moment, da die Freimaurer sich anschickten, in der Kirche die Herrschaft anzutreten …

Nun wird deutlich, welches Schlüsselerlebnis Lefebvre auf seinen Weg gezwungen hat: In der letzten Sitzung der Vorbereitungskommission des Konzils legte Kardinal Ottaviani - Sprecher der „Konservativen“, vor allem der Kurienksirdinäle - sein Schema über die religiöse Toleranz vor, Kardinsil Bea - Lefebvre bezeichnet den einstigen Beichtvater Pius’ XII. als den Führer der „Progressiven“, vor allem der „Kardinäle am Rhein“ - sein Schema über die Religionsfreiheit. Die Spaltung wurde deutlich, und so gespalten sei man in das Konzil gegangen, wo beide Päpste die „Liberalen“, die „Progressiven“ unterstützt hätten. Daraus sei alles Unheil erwachsen.

Es könne aber keine Religionsfreiheit geben. Kolumbien, Irland, Schweizer Kantone, Italien, Spanien haben seit dem Konzil jene Verfas-sungsparagraphen aufgehoben, Hie die katholische Kirche zur Staatsreligion erhoben hatten - der Staat habe aber die Aufgabe, die bestimmende Position der katholischen Religion .anzuerkennen! Der Dämon sei am Werk, wo man die Zehn Gebote durch die Menschenrechte ersetzen wolle!

Heute glaube man nicht mehr an die Erbsünde. Die Pornographie habe selbst vor katholischen Zeitungen nicht halt gemacht. Man verbrüdere sich mit Kommunisten, Freimaurern, Protestanten…

„Beten Sie in Mariazell für die Rückkehr zur alten Messe!“ fordert der Erzbischof seine aus ganz Österreich zusammengekommenen Anhänger auf. Er selbst gehe nach Rom, um den Papst anzuflehen, und hoffe, dieser werde das Verbot aufheben; niemand werde mehr verfolgt werden, der die alte Messe feiert.

70 junge Menschen sind in diesem Jahr in seine fünf Seminare eingetreten, berichtet Lefebvre. 210 Seminaristen bereiten sich dort auf den Priesterberuf vor. Wenn die alte, die „wahre“ Messe wieder zugelassen sei, würden auch die Priesterberufungen wieder mehr werden, meint er. Dann werde wieder Eilles in Ordnung kommen …

Man sollte es trotz allem Gesagten auf einen Versuch ankommen lassen …

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