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Lehren einer Wahl

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Die Opposition hat eine Wahl gewonnen. Die Arbeiterkammerwahl. Die direkten Verlierer, die sozialistischen Funktionäre in den Arbeiterkammern, zeigten sich wenig, die indirekten Verlierer, die Funktionärskader der ÖGB-Mehrheit, überhaupt nicht beeindruckt. Insider wissen aber zu berichten, daß die Exponenten der Noch-immer-Mehrheit, die auch noch immer überwältigend ist, das Menetekel sehr genau erkannt haben und zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt den Vorsatz haben, sich derart unvorbereitet nicht mehr auf eine derartige Kraftprobe einzulassen.

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Die Opposition hat eine Wahl gewonnen. Die Arbeiterkammerwahl. Die direkten Verlierer, die sozialistischen Funktionäre in den Arbeiterkammern, zeigten sich wenig, die indirekten Verlierer, die Funktionärskader der ÖGB-Mehrheit, überhaupt nicht beeindruckt. Insider wissen aber zu berichten, daß die Exponenten der Noch-immer-Mehrheit, die auch noch immer überwältigend ist, das Menetekel sehr genau erkannt haben und zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt den Vorsatz haben, sich derart unvorbereitet nicht mehr auf eine derartige Kraftprobe einzulassen.

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Nach der Euphorie der gewonnenen Wahl fragt sich nun für die konservativen Fraktionen in der Arbeiterkammer, aber auch im ÖGB, ja sogar vor allem im ÖGB, was aus diesem Erfolg für die eigene Sache zu machen sei. Es gibt da Kreise, für die sich der AK-Wahl- erfolg sogar als eine ungemütliche Sache erweisen könnte. Und zwar deshalb, weil es sich nun nicht mehr so legitim wie bisher schläft. Konnte man doch bislang ohne Angst vor Widerspruch sagen, auf dem gewerkschaftlichen Boden sei ohnehin nichts zu machen.

Die Tiefe des Schlafs, dem die rechten Gerechten vor allem im ÖGB oblagen, soll zeitweise sagenhaft sein — die Inaktivität schwarzer Pfründeninhaber kommt, dies nur eine scheinbare Contradictio in ad- jecto, dem Wunsch der roten Mehrheits-Aktivisten, sie auszuschalten, auf mehr als dem halben Weg entgegen, Uber Querelen innerhalb der schwarzen Fraktion verlautet noch eher dann und wann das eine oder andere als über vergebliche Versuche, dm roten Meer eine konservative Stimme laut werden zu lassen. So daß man sich ernsthaft fragt, ob die sogenannte Fraktion christlicher Gewerkschaften im ÖGB überhaupt eine andere Funktion hat als die einer demokratischen Blume im Knopfloch des Monolithen. Es wäre viel zu einfach, zu sagen, daß

Ein schwarzer Tag .für die USA, ein schwarzer Tag aber vor allem für die Gerechtigkeit, ein schwarzer Tag für alle, die noch einen letzten Halt an diesem Leitstern zu finden glaubten: Ein Distriktsrichter in Columbus, Georgia, hob das Urteil gegen den My Lai-Leutnant Calley auf und verfügte dessen sofortige Entlassung.

Begründung: Calley habe kein faires Verfahren gehabt, weil die öffentliche Empörung über die Ausrottung aller Frauen und Kinder eines vietnamesischen Dorfes ein vorurteilsloses Verfahren verhindert habe. Überdies seien derartige Vorfälle im Krieg immer schon passiert.

Es fragt sich, ob der Richter Elliott in Columbus, Georgia, nun die Rehabilitierung aller deutschen Kriegsverbrecher verfügen wird, gegen die bekanntlich trotz weltweiter Empörung verhandelt werden mußte. Es fragt sich, ob hiermit die Mörder von Lidice, die Mörder von Oradour, die kaum schlimmer waren als die Mörder von My Lai, wieder als ehrenwerte Männer anzusehen sind, würdig eines Filmprojektes, wie es nun Calley gewidmet werden soll.

Hier hat eine Nation, verkörpert in einem Distriktsrichter, ihren Idealen und damit sich selbst, aber leider nicht nur sich selbst, einen Fußtritt ins Gesicht versetzt.

der böse Diktator sie ausgeschaltet hat. Sie haben sich schon lange nicht mehr eingeschaltet.

Fragt sich, ob sich Österreich tatsächlich eine Spaltung des ÖGB in Richtungsgewerkschaften leisten kann — und welche Marktchance den christlichen Gewerkschaftern im freien Spiel der Kräfte beschdeden wäre. Mancher ist der Meinung, daß dabei günstigstenfalles eine „Arbeitsteilung” herauskäme, bei der die Vorherrschaft der Sozialisten im gesamten industriellen gewerkschaftlichen Bereich zur Alleinherrschaft, und der Bereich der Fußkranken des Kapitalismus, der Kleinbetriebe, der Kleinen im Kleinhandel, zur Domäne der „Abgespaltenen” würde. Aber es fragt sich ohnehin, wie ernst die Drohung mit einer solchen Spaltung gemeint war.

Die Alternative aber sollte keinesfalls Weiterschlafen heißen. Denn gerade die Arbeiterkammerwahlen haben gezeigt, daß das konservative Lager gerade bei Urabstimmungen im Bereich der Arbeitswelt die Chance hat, zumindest von einer Quantite nėgligeable zu einer anständigen Minderheit zu werden, deren Meinung man zumindest zur Kenntnis nehmen, gegen die man zumindest argumentieren muß.

Auch in der Arbeiterkammer ist der Weg der Minderheit bis dorthin, wo man Ansprüche anmelden kann, noch lang. Aber hier sind erste Einbrüche erzielt. Im ÖGB liegen die Dinge schwieriger. Hier finden keine Urabstimmungen statt, hier wählen, über der Betriebsratsebene, nur noch Funktionäre einander — dies der Grund für die Unangreifbarkeit des roten Establishments auf der organisatorischen Ebene, dies aber auch seine moralisch wunde Stelle.

Die Fraktion christlicher Gewerkschafter wird einen schweren Stand haben — sobald sie überhaupt erst einmal versucht, einen Stand zu finden. Aber Weiterschlafen ist verboten. Es ist vor allem deshalb verboten, weil die Entwicklung der letzten Jahre in von Jahr zu Jahr verstärktem Maße zu außerparlamentarischen Regierungsformen für dieses Land geführt hat. Das Schlagwort vom „Gewerkschaftsstaat” nahm insofern Kontur an, als die Koalition als Lebensform in Österreich ja nicht gestorben, sondern nur übersiedelt ist — vom Parlament in die Sozialpartnerschaft, wo die rechte Reichshälfte der linken Reichshälfte, sprich ÖGB und Arbeiterkammern, immer mehr die „Wirtschaft”, sprich die Industriellen und die Gewerbetreibenden nicht unmittelbar betreffende Angelegenheiten, blind überläßt. Und jeder weiß, wie extensiv der ÖGB-Boß sein Mandat im Sinne politischer Machtausübung ausgebaut hat.

Die rechte Reichshälfte muß sich klaimachen, daß die Opposition gegenüber Benya nicht der Industriellenverband sein kann, sondern daß diese Rolle nur die Fraktion christlicher Gewerkschafter spielen kann. Freilich: Eine schockierende Erkenntnis angesichts des Zustandes dieser Fraktion. Aber die muß es lernen, der außerparlamentarischen Machtausübung des ÖGB eine ebenso außerparlamentarische demokratische Opposition gegenüberzustellen.

Denn Österreich wird immer weniger vom Parlament und immer weniger von der jeweiligen Mehrheitspartei und immer mehr von den Sozialpartnern regiert, wenn man unter Regieren das Treffen der für diese Gesellschaft wesentlichen Entscheidungen versteht. Das bedeutet auch größere Bedeutung für bisher vernachlässigte „Nebenschauplätze” des Geschehens.

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