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Leichte Enttäuschung
Im Gegensatz zu seinem ersten Besuch in Wien traf der Papst diesmal die Leiter der jüdischen Gemeinde Österreichs zu einem privaten Gespräch. Man sah dem Treffen mit Erwartung, aber auch mit Befürchtungen entgegen. Man sprach von einem Durchbruch, war aber gleichzeitig besorgt, wie die Antwort des Papstes auf die Worte des Präsidenten Paul Grosz ausfallen würde.
Fazit des Treffens: Es gab weder einen Durchbruch noch stellten sich die Befürchtungen als berechtigt heraus. Die Vertreter der jüdischen Gemeinde sind enttäuscht, aber nicht verbittert. Inhaltlich hatten sie sich mehr erwartet, die persönliche Begegnung mit dem Papst war aber von einer Wärme, die sie sich nicht erwartet hatten. Präsident Grosz bezeichnete die Begegnung als überwältigend, sehr freundschaftlich und engagiert.
Oberrabbiner Chaim Eisenberg vermerkte, daß die Atmosphäre zwar herzlich gewesen sei, inhaltlich jedoch enttäuschend. Der Papst habe keine Antworten auf die Fragen der Gemeinde gegeben und es wurden offene Worte, vor allem Worte der Scham für die Ereignisse der Schoah, vermißt. Eisenberg hatte Freitag vormittag noch gehofft, daß der Papst solche Worte in Mauthausen sprechen würde. Doch die Ansprache in Mauthausen bezog sich auf die Leiden der Inhaftierten im allgemeinen, ohne irgend eine Gruppe im besonderen zu erwähnen. Der Oberrabbiner meinte, daß das jüdische Element bei dem Besuch in Mauthausen gefehlt habe.
Dagegen wäre aber zu vermerken, daß der Papst unverhältnismäßig lang bei dem Denkmal für die jüdischen Opfer stehenblieb. Leider war es nicht möglich, zu verstehen, was er dabei sagte. Demnach scheint auch die Behauptung, der Papst wolle den Holocaust dejudaisieren, ungerechtfertigt. So wie Auschwitz als Symbol für die jüdischen Opfer angesehen werden kann, so ist Mauthausen doch jenes KZ, wo viele christliche Österreicher ihr Leben lassen mußten.
Trotz dieser Bedenken jüdi-scherseits scheint mir die Begegnung des Papstes mit den jüdischen Vertretern^in weiterer positiver Schritt im christlich-jüdischen Dialog gewesen zu sein. Engagierte Menschen erwarten von der Kirche meistens mehr, als sie im Augenblick geben kann, das war auch schon beim Konzü so.
Obwohl das Konzüsdekret über das Verhältnis der Kirche zum Judentum in vieler Hinsicht mangelhaft war, wurde es doch zu einem Anstoß für ein Umdenken. Obwohl der Papst keine befriedigenden Antworten auf die jüdischen Fragen gab, enthält seine Rede eine Reihe von „überwältigenden“ Aussagen: Durch das Kreuz Christi „erneuert sich der Bund der Liebe. Dies ist der Bund ..., in dem die Kirche ihre tiefe und geheimnisvolle Verbundenheit in Liebe und Glaube mit dem jüdischen Volk erfährt“.
Ist das nicht eine neue Weise, über das Judentum zu sprechen? Hier ist nichts zu merken vom alten Gegensatz „Gott des Hasses und Gott der Liebe“, im Gegenteil hier wird deutlich anerkannt, daß schon der Bund Israels ein Bund der Liebe war und ist. Die Bewertung des jüdischen Leids weist gleichzeitig auf die Rolle des Judentums in der Heilsgeschichte heute hin: Die Leiden und das Martyrium des jüdischen Volkes sind „ein Weg in Glaube und Gehorsam als Antwort auf den liebenden Ruf Gottes“.
Dialog bedeutet ein Gespräch zu zweit, setzt also verschiedene Meinungen voraus und nicht volles Einverständnis. Dialog bedeutet den Respekt vor dem anderen, die Anerkennung der Werte des anderen und das Zugeständnis der Verschiedenheit. Unter diesen Voraussetzungen scheint mir die Begegnung des Papstes mit der jüdischen Gemeinde am vergangenen Freitag tatsächlich eine „Fortsetzung des fruchtbaren Dialogs“ zwischen der „katholischen Kirche und Vertretern des jüdischen Volkes“, wie es Präsident Grosz formulierte, gewesen zu sein. SR. HEDWIG WAHLE
Die Autorin ist geschäftsführende Vorsitzende des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
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