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Leider: Kein Geld

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„Ohne Geld bleibt das Ganze eine gutgemeinte Utopie“ — dieser, in Variationen immer wieder laut gewordene Satz bei diesem Symposium wird letztlich den Wert dieser Tagung bestimmen, an der man das wichtigste vergessen hatte: einen kompetenten Vertreter des Finanzministeriums einzuladen. Denn an Ideen, Vorschlägen, Ratschlägen mangelte es ebensowenig wie an Kritik.

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„Ohne Geld bleibt das Ganze eine gutgemeinte Utopie“ — dieser, in Variationen immer wieder laut gewordene Satz bei diesem Symposium wird letztlich den Wert dieser Tagung bestimmen, an der man das wichtigste vergessen hatte: einen kompetenten Vertreter des Finanzministeriums einzuladen. Denn an Ideen, Vorschlägen, Ratschlägen mangelte es ebensowenig wie an Kritik.

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Konkret erarbeiteten sich in den der ersten Tagen eine Anzahl von

viel tiefer: nämlich in der Frage, welche Bedeutung und welche Aufgaben dem frei praktizierenden Arzt in Verbindung mit dem Spitalsbe-trieb und deri Kässenambulatorien im Gesundheitswesen zukommen.

Die Regierung hat bei jeder sich bietenden Gelegenheit in diversen Gesetzesvorlagen versucht, die Stellung des frei praktizierenden Arztes in der Gesundheitsbetreuung zugunsten einer Ausweitung der Spitais-ambulanzen und der Kassenambulatorien stark einzuschränken, selbst in Bereichen, wo der praktische Arzt sinnvollerweise zu bevorzugen ist.

Hier dürfte die Stärke des neuen Änztekammerpräsidenten Piaty liegen. Er mag zwar unverkennbar scharf und provokant seine Position und seine Auffassungen formulieren, aber es ist ihm zuzutrauen, daß er die Kajmimerorganisation in der Form in Bewegung bringt, daß nun auch die breiten sachlichen Fragen konzeptiv behandelt werden und die Ärzteschaft mehr als bisher in die Dnskussion um die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens mit klar umrissenen Vorstellungen und Programmen eingreift. Richard Piaty hat das schon damit angekündigt, daß er nach seiner Wahl die Frage der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum an die erste Stelle seiner Bemühungen setzte. Diese Frage wird zusammen mit dem noch immer latenten Spitalsproblem die Diskussion des Gesundheitswesens in den kommenden Jahren entscheidend mitbestimmen. Die deutliche Handschrift Piatys trägt auch die Resolution des Ärztekammertages in Klagenfurt, in der ausgedrückt ist, daß die Ärzte in Zukunft eine Abtreibung nur bei Vorliegen der medizinischen Indikation vornehmen werden — also eine unmißverständliche Absage der Mediziner an die Fristenlösung.

Vielleicht sind gerade Piaty als Präsident und Daume als sein Stellvertreter — so verschieden sie als Persönlichkeiten sein mögen — ein gutes Gespann für die Ärzteschaft. Auf der einen Seite Piaty als programmatischer und konzeptiver Lenker für die Interessen der Ärzte bei der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens und auf der anderen Seite der geschickte Verhandler und Taktierer Daume. der selbst eher doktrinäre Sozialisten zu Kompromissen treiben kann.

Experten in sechs Arbeitskreisen (Organisation, Bildende Kunst-Museen-Architektur, Theater-Musik-Li-teratur, Unterrichtswesen-Massenmedien, Jugend-Sport, Wissenschaft-Forschung) Grundlagen, die in den folgenden anderthalb Tagen zur Diskussion standen. Grundsätzlich positiv stellte man sich gegenüber einem langfristig zu planenden „Nationalinstitut Austria“, im übrigen kein neuer Vorschlag und bereits einmal Thema des „österreichischen Kulitur-gesprä'chs“ (ÖVP), eine Organisationsform, ähnlich der schweizerischen Pro Helvetia, mit dem Vorteil einer selbständigen Einrichtung mit Rechtsfcörper, wobei Bund, Länder, Gemeinden und diverse Körperschaften als Träger auftreten sollen. In diesem Zusammenhang erhob sich generelle Kritik an der fehlenden Einbeziehung der Leistungen der Bundesländer, deren aktives Kultur-(und Geld-)potential innerhalb der Auslandskulturpolitik wenig Beachtung findet, angesichts der kulturellen Führungsrolle die Wien beanspruche („Mißachtung der föderalistischen Struktur des Landes“). Wie hinderlich Beamte selbst die „Fesseln der bürokratischen Tradition“ empfinden, kam im Wunsch nach „Flexibilität und Effektivität“ bei der Durchführung der Kulturarbeit zur Sprache, die nach den „Grundsätzen moderner Unternehmungsführung“ zu erfolgen habe. In der Eigenkritik verstieg man sich sogar soweit, auf die Gefahr der Schaffung von „neuen Pfründen“ hinzuweisen — im Zusammenhang mit einem intensivierten Heranziehen von Fachkräften und bestehenden Institutionen. Zumindest im Rahmen der Nahziele scheint es zur Realisierung einer „Service-Stelle“ zu kommen, im übrigen auch ein „alter Vorschlag“ einer Art von Informationsbörse für Kulturinstitutsleiter, Kultur- und Presseräte, die rasch und speditiv auf Nachfragen der Außenstellen eingehen und kleinere Hilfeleistungen spontan erledigen kann. Auch eine „Ständige Kommission“ wird auf der Aktivseite dieser Tagung verbucht werden können. Sie hat die Aufgabe, Bestandsaufnahme und Entwicklung der Auskandskul-turarbeit im Fluß zu halten — auch nachzulesen in dem von Minister Kirchschläger gehaltenen Vortrag.

Utopische Ideen hatte man sich in den Jahren, in denen in periodischen Abständen über die Struktur und Programmatik der Auslandskulturpolitik diskutiert wurde, abgewöhnt. Von den zahlreichen Forderungen

seien ein paar prägnantere, durchaus nicht unbedingt die originellsten, herausgegriffen. Manche sind gewiß schon aufgetaucht — etwa bei der Kulturenquete 1968 unter dem damaligen Auslandskulturchef Karasek: das Heranziehen von Museumsgut für Ausstellungszwecke, Bildung einer „Kunst AG“ im Inland, als Instrument für die permanent unterrepräsentierten bildenden Künste (im Ausland), langfristige strategische Gastspielkonzepte (für Theater, Musik, Ballett), Materialbenützung des ORF, intensivierte Zusammenarbeit mit Germanistik-Instituten, Steigerung der österreichischen Gastdozenten, Entsendung von mehr Lehrpersonal in die Entwicklungsländer (allerdings Distanzierung vom „Kulturimperialismus“), Anhebung der Stipendien-und Ausbildungshilfen, stärkerer Schüler- und Jugendaustausch, Schaffung eines internationalen Jugendzentrums (in OE), intensivierte internationale Kooperation und Mobilität auf dem Wissenschaftssektor, Handbuch über wissenschaftliche Einrichtungen mit entsprechenden Statistiken, Gründung von Gasthäusern in Hochschulorten, stärkere Österreichvertretungen in internationalen Kulturgremien, besonders im Leistungsausschuß der geplanten Internationalen Universität sowie die Verabschiedung des UNESCO-Geset-zes.

Den letzten Illusionisten holte am Ende der Tagung jener Beitrag auf den Boden der Realität zurück, indem für „gerechtfertigte Proportionen“ plädiert wurde, das Interesse für die Kulturarbeit in den Kontaktländern nicht zu überschätzen, die Kreise, die sich dafür interessieren, seien von vornherein limitiert.

Im Grunde sollte man von derartigen Mammuttagüngen künftig abseihen und in kleinen selektiven Arbeitskreisen die Bedürfnisse einzelner Staaten genau eruieren, mit Zielvorstellungen abstimmen und dann die Aktivitäten präzise planen.

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