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Digital In Arbeit

Leiharbeit hilft beiden Partnern

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Die ,,Verleih"-Firmen beuten ihre Mitarbeiter aus, sagt der Sozialminister und will ein neues Gesetz. Mißstände treten nur bei einzelnen Firmen auf,- wehrt sich die Wirtschaft.

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Die ,,Verleih"-Firmen beuten ihre Mitarbeiter aus, sagt der Sozialminister und will ein neues Gesetz. Mißstände treten nur bei einzelnen Firmen auf,- wehrt sich die Wirtschaft.

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Herr Bruno W. ist Elektriker und bereits seit neun Jahren in einem Personalbereitstellungsunternehmen beschäftigt. „Für mich ist der Wechsel der Aufgaben wesentlich. Man macht immer etwas anderes und lernt viel dazu. Wäre ich bei einer anderen Firma beschäftigt, würde ich immer die gleichen Leute sehen und immer die gleiche Arbeit machen. Da ist es mir heute noch lieber, mit immer neuen Dingen beschäftigt zu sein."

Herr W. steht in einem von 70.000 Leiharbeitsverhältnissen, wie ne-

ben ihm Konstrukteure, Techniker, Chauffeure, Arbeiter oder Bürokräfte, die nicht im herkömmlichen Sinn an einem einzigen Arbeitsplatz fix beschäftigt sind, sondern bei einem Personalbereitstellungsunternehmen, das sie an verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzt.

Diese Konstruktion bringt verschiedene Vorteile. Als Grund für die Mitarbeit bei einem Personalleasingunternehmen werden laut einer Studie der Marktforschungsinstitute Fessel und GfK und Ifes aus den Jahren 1979 und 1980 von Männern und besser qualifiziertem bereitgestelltem Personal finanzielle Gründe als entscheidend genannt.

Für Frauen bietet sich dieses System in erster Linie wegen der Möglichkeit einer flexibleren Zeiteinteilung ah, sei es in der allgemeinen Form einer flexibleren Arbeitszeitregelung, sei es in der Form einer Uberbrückung zwischen zwei Dauerarbeitsplätzen. Sie haben fast durchwegs einen schriftlichen Arbeitsvertrag, sind sozialversichert, erhalten Weih-nachts-, Urlaubs- und Krankengeld; bei der Lohn- und Gehaltsauszahlung gibt es keine Probleme, 86 Prozent sind mit den übertragenen Arbeiten zufrieden, das persönliche Verhältnis zur Bereitstellerfirma ist gut. 32 Prozent der Arbeitnehmer haben beim Arbeitsamt vergeblich eine Stelle gesucht, 76 Prozent hatten vorher keine Arbeit.

Als wichtigster Grund wird von Betrieben, die bereitgestelltes Personal beschäftigen, der unvorhersehbare Ausfall von Mitarbeitern angegeben. Laut der oben zitierten Studie gaben dies drei Viertel der Unternehmen als Begründung an. 65 Prozent nützen Personalbereitstellung bei unvorhersehbarem und überhöhtem Arbeitsanfall und etwas mehr als die Hälfte bei Engpässen wie Urlaub, Karenzierung und ähnlichem. Bereitgestelltes Personal wird von öffentlichen und privaten, von rein österreichischen und interpationalen Unternehmen beschäftigt.

Allein schon die Tatsache, daß Personalbereitstellungsunternehmen bestehen, beweist, daß ein Bedarf dafür besteht. Sie haben sich unter anderem dort bewährt, wo plötzlich, etwa im Zusammenhang mit der Erfüllung eines terminlich gebundenen Auftrages, ein plötzlicher Arbeitskräftemangel besteht.

Es soll nicht verhehlt werden, daß es in Einzelfällen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung hat dies bereits im Jahre 1977 zum Anlaß genommen, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, der die Personalbereitstellung völlig verboten hätte. Nach intensiv geführten Verhandlun-

gen, die zur Hoffnung Anlaß gaben, ohne Verbotsgesetz auszukommen, wurden diese aus unbekannten Gründen plötzlich abgebrochen.

Im Jahre 1982 wurde neuerlich ein Entwurf zur Begutachtung versandt, der die Jahre vorher erzielten Teilergebnisse in keiner Weise berücksichtigte. Neuerlich wurde ein völliges Verbot der Bereitstellung von Personal vorgesehen. In letzter Konsequenz hätte dies zur Vernichtung von damals rund 180 Firmen und von etwa 10.000 Arbeitsplätzen geführt. Folgen in den Unternehmen, die bereitgestelltes Personal beschäftigen, wären vermehrte Uberstundenleistung der Mitarbeiter, das Risiko von Produktionsausfällen aus Personalmangel, der Einsatz von nichtorganisierten Aushilfen wie Studenten, Ferial-praktikanten oder ähnliches, er-

höhte Personalbeschaffungskosten, betriebsinterne Kapazitätsverlagerungen, starke Fluktuation etc. gewesen.

Wahrscheinlich auch aus Gründen der nicht zu übersehenden arbeitsplatzsichernden Funktion der Bereitstellungsunternehmen ist man im Bundesministerium für soziale Verwaltung, wie der seit kurzem vorliegende neue Entwurf eines Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes zu beweisen scheint, vom Verbot der Personalbereitstellung abgekommen. Zunehmend hat sich nämlich in der Praxis gezeigt, daß es die Personalbereitstellungsunternehmen sind, die jene Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die von den Arbeitsämtern nicht bereitgestellt werden können. Es ist den Arbeitsämtern einfach nicht möglich, sehr kurzfristig Dienstnehmer zur Verfügung zu stellen. Für

die Personalbereitstellungsunternehmen ist es alltäglich Übung, bei Anforderung eines Chauffeurs um etwa acht Uhr diesen um neun Uhr zur Verfügung zu stellen.

Ohne auf Einzelheiten des Entwurfes eingehen zu wollen, sei aber an dieser Stelle festgehalten, daß etwa eine Konzessionserteilung nur auf ein bis drei Jahre bei der gleichzeitigen Forderung nach einer „notwendigen organisatorischen Ausstattung" undurchführbar ist.

Die Verhandlungen, die in nächster Zeit zwischen dem Bundesministerium für soziale Verwaltung und den Sozialpartnern stattfinden werden, werden zeigen, ob es tatsächlich nur darum geht, einzeln aufgetretene Mißstände zu beseitigen.

Der Autor ist Referent in der sozialpolitischen Abteilung der Bundeswirtschaftskammer.

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