Alt-neue Kirchenkämpfe

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Der Filmtitel „Die zwei Päpste“ bringt eine aktuelle katholische Gefühlslage auf den Punkt, die aber Ausdruck einer seit Jahrhunderten ungelösten Auseinandersetzung ist.

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Der Filmtitel „Die zwei Päpste“ bringt eine aktuelle katholische Gefühlslage auf den Punkt, die aber Ausdruck einer seit Jahrhunderten ungelösten Auseinandersetzung ist.

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Der Film „Die zwei Päpste“, zurzeit ganz kurz im Kino zu sehen, ist nicht nur eine köstlich wahre Komödie mit zwei herausragenden Schauspielern. Sondern er bringt, angefangen beim Titel, die unübersehbare aktuelle Polarisierung in der katholischen Kirche auf den Punkt: Hier das – konservative – Benedikt-Lager, das den Untergang nahen sieht, wenn nicht bald auf den alten Kirchenweg zurückgekehrt wird. Dort die „Bergoglianer“, die von Franziskus die Erfüllung ihrer langjährigen Reformwünsche erhoffen.

Viel davon ist natürlich Projektion auf die beiden Protagonisten. Aber es scheint mehr als ein diffuses Gefühl zu sein, dass zwei Päpste am Werk sind – der eine machtpolitisch und kirchenrechtlich „real“, der andere im Hintergrund als personifizierter Zweifel an der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit dessen, was Franziskus, der Amtsträger, tut.
Die Polarisierung ist in erster Linie nicht dem Emeritus und seinem Nachfolger persönlich anzukreiden, wiewohl Benedikt XVI. schon einiges dazu tut, als Stachel wider Franziskus gesehen zu werden – jüngst wieder durch eine Wortmeldung zur Frage der Diakoninnen.

Es geht aber längst nicht um die päpstlichen Galionsfiguren, sondern um das dahinterliegende, jahrhundertelange Ringen um den Weg der Kirche. Ein erster Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war das I. Vatikanische Konzil, das vor genau 150 Jahren eröffnet wurde und bekanntlich die Dogmatisierung des päpstlichen Primats („Unfehlbarkeit“) brachte. Diese Entscheidung war aber kein logisches Ende einer Entwicklung, wie konservative Historiker glauben machen, sondern das Ergebnis handfester kirchenpolitischer Kämpfe.

Das absolutistische Kirchenmodell

Der Regensburger Kirchenhistoriker Klaus Unterburger stellte jüngst auf feinschwarz.net dar, wie schon 1869/70 dieselben Polarisierungen gegeneinander wogten, und es der effektiven Lobbyarbeit einer konservativen Minderheit gelang, das absolutis­tische Kirchenmodell durchzusetzen, das heute zu Recht auch im innerkirchlichen Diskurs hinterfragt wird. Die Grundpositionen haben sich seit 150 Jahren wenig verändert. Nur ist die Welt heute eine andere, und die Kirche musste einsehen, dass Gewissensfreiheit, Demokratie, etc. auch genuin „christlich“ sind (was bis vors II. Vatikanum 1962–65 bestritten wurde). Allerdings sind diese Erkenntnisse nicht in die Strukturen eingeflossen. Immer mehr Katholik(inn)en wollen das aber nicht mehr hinnehmen. Und das gibt Streit, der auch mit dem Verweis auf den Ex-Papst und den Papst geführt wird. Das ist im Grundsatz legitim. Aber wer kämpft dabei mit welchen Mitteln?

Man muss den Konservativen konzedieren, dass sie in Internet und Sozialen Medien effektiv agieren: Konservative Lobbyarbeit ist da unübersehbar. Allerdings auch Unverfrorenheit und Menschenverachtung. Franziskus wird da als korrupt, als Apostat oder Häretiker gebrandmarkt. Jüngst fand sich auf einer einschlägigen Webseite bei einem Beitrag über den „schlechtesten Papst der Geschichte“ ein Bild von Franziskus neben einem des Borgia-Papstes Alexander VI.

Auch Kardinal Christoph Schönborn – gewiss kein Progressiver! – wird von diesen Herrschaften etwa ob des Aids-Charity-Events Ende November im Stephansdom mit: „Schönborn missbrauchte Gottesmutter bei Homosex-Show“ niedergemacht, und seine jüngste Erkrankung gleich als Gottes Strafe taxiert. All dieses „Lobbying“ ist völlig inakzeptabel, aber auch bekanntlich anderswo en vogue: Die katholischen Ultras sind nicht nur in ihrer Impertinenz und Wortwahl den Rechtspopulisten mehr als verwandt.

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