Der Bundespräsident: Die verkannte Macht
Dieser Hofburg-Wahlkampf war langweilig, ja bizarr und oftmals eine Themenverfehlung. Dennoch ist das Votum am Sonntag entscheidend. Enthaltung ist immer die schlechteste Option.
Dieser Hofburg-Wahlkampf war langweilig, ja bizarr und oftmals eine Themenverfehlung. Dennoch ist das Votum am Sonntag entscheidend. Enthaltung ist immer die schlechteste Option.
Größenwahn hat viele Gesichter. Das bekannteste gehört derzeit wohl Elon Musk. Gerade eben hat der exzentrische US-Milliardär auf dem Nachrichtendienst Twitter (den er wieder einmal zu kaufen gedenkt) einen „Friedensplan“ für die Ukraine präsentiert. „Wiederholung der Wahlen in den annektierten Regionen unter Aufsicht der UN. Russland geht, wenn das der Wille des Volkes ist“, lautet einer seiner vier Punkte. Ein weiterer propagiert die formelle russische Einverleibung der Krim.
Das geostrategische Dilettieren des Tesla-Gründers hat – abgesehen vom Kreml – weithin für Kopfschütteln gesorgt. Es zeigt freilich in besonderer Drastik auf, zu welcher Selbstüberschätzung der Faktor Prominenz manche Menschen mitunter treibt.
Auch im hiesigen Bundespräsidentschaftswahlkampf war dies zu beobachten – wenn auch nur im österreichischen Minimundus-Format. Ob eigenmächtiges Abdrehen der Russland-Sanktionen, Zauberlösungen gegen Energiekrise und Teuerung, Prüfungskommissionen für mögliche Minister(innen) oder die spontane Entlassung der Bundesregierung, ohne auch nur einen Halbsatz mit jemandem gesprochen zu haben: Die fiebrige Lust an der Macht kannte keine Grenzen; von der fiebrigen Lust an Halbwahrheiten oder Jenseitigkeiten – Stichwort „MeToo als CIA-Erfindung“ (Heinrich Staudinger) oder „in 20 Jahren 40 Prozent Muslime in Österreich“ (Tassilo Wallentin) – ganz abgesehen.
Präsident oder Gemeinderat?
Dass all diese Macht dem Bundespräsidentenamt zu einem Großteil gar nicht eingeschrieben ist, war eines der großen Missverständnisse dieses teils bizarren und zugleich langatmigen Wahlkampfs. Weder Sanktionen noch Maßnahmen gegen die Inflation gehören schließlich ins Aufgaben-Portfolio des Mannes hinter der Tapetentür (für eine Frau in der Hofburg ist Österreich scheinbar noch nicht reif). Viele Ideen der sechs Herausforderer von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen hätten folglich mit dem Hinweis „Themenverfehlung“ oder „bitte für den Nationalrat oder Gemeinderat kandidieren“ quittiert werden können.
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