Jenseits der Schnitzelfront
Ob in der Integrations- oder nun in der Klimadebatte: Fleisch emotionalisiert. Dabei müsste es endlich um das große Ganze gehen. Ein Blick unter die Panier.
Ob in der Integrations- oder nun in der Klimadebatte: Fleisch emotionalisiert. Dabei müsste es endlich um das große Ganze gehen. Ein Blick unter die Panier.
Ob es ein gebackener Dorsch oder eine Scholle war, weiß man nicht genau. Ein Schnitzel war es jedenfalls nicht, das der Ring Freiheitlicher Jugend kürzlich auf einem Twitter-Foto präsentierte. Auch die Art und Weise, wie das panierte Etwas angerichtet war, schien wenig traditionell: Auf Salat gebettet und von Pommes umrahmt, lag es auf dem Teller. Altbekannt war einzig die Botschaft, welche die blaue Jugend als Beilage kredenzte: „Wer aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch isst, soll es bleiben lassen. Aber wir werden es nicht dulden, dass unsere Kinder deshalb zu einem Verzicht von (sic!) Schweinefleisch gezwungen werden.“ So etwas regt auf. Jene, die um ihre kulinarischen und sonstigen Traditionen fürchten. Und jene, die in Postings wie diesem einen besonders dummen Beleg für Agitation gegen Muslime sehen. Nur jene, die sich gern über Verstöße blauer Funktionäre gegen die Gesetze von Orthografie und Logik amüsieren, konnten herzhaft lachen: Bei der eigenen Propaganda Fisch und Fleisch verwechseln – das muss man erst einmal zusammenbringen.
Gut und Böse am Teller
Dass man mit dem Quasi-Kulturgut Schnitzel in Österreich trefflich Politik machen kann, haben die jungen Blauen freilich verstanden. Fleisch ist eben ein besonderer Stoff, er schmeckt für die einen nach Lebenslust und für die anderen nach Tod, er emotionalisiert und polarisiert – ein gewichtiges Argument in der politischen Aufmerksamkeitsökonomie. Umso weniger überrascht, dass nach der Integrations- nun auch die Klimadebatte gleichsam auf Schnitzelgröße zusammenschrumpfen könnte und das traditionelle Stück Fleisch das entscheidende Distinktionskriterium zu werden droht, an dem sich Gut und Böse scheiden.
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