Katholische Verschwörungsideologien: Verquere "Gläubigkeit"

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Wiedergänger eines unseligen antijüdischen Katholizismus vergiften auch das kirchliche Klima. Christ(inn)en und Kirchen sollten dieser lautstarken Minderheit entschieden entgegentreten.

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Wiedergänger eines unseligen antijüdischen Katholizismus vergiften auch das kirchliche Klima. Christ(inn)en und Kirchen sollten dieser lautstarken Minderheit entschieden entgegentreten.

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Bei der Verbreitung der zahlreichen Verschwörungsmythen, die rund um die Covid-19-Pandemie und zuletzt in der Diskussion über eine Impfpflicht immer fröhlichere Urständ feiern, sind rechts­katholische Strömungen an vorderer Front zu finden. Wer sich auf den einschlägigen Kanälen, Foren und Webseiten umtut, erfährt da ganz schnell, welche Bedrohung die Menschheit durch eine globale (Finanz-)Elite erleidet, welche die Kontrolle über die Welt übernehmen will. Bill Gates oder George Soros sind die prominentesten Feindbilder, offen oder versteckt wird auch mit antisemitischen Codes gearbeitet.

Ein Wortführer dieser Verschwörungsverbreiter ist der katholische Erzbischof Carlo Maria Viganò, einst päpstlicher Nuntius in den USA, der nicht nur als erbitterter Gegner von Papst Franziskus lautstark agiert: „Wir haben es also mit einer kriminellen Elite zu tun, die im Weltwirtschaftsforum versammelt ist, um den Great Reset zu planen, und in der UNO, um die Agenda 2030 umzusetzen, und die beschlossen hat, die Weltbevölkerung mit Hilfe einer Reihe detailliert beschriebener ‚Szenarien‘ zu dezimieren.“ So eine „Botschaft“ Viganòs von Anfang Dezember: Die Pandemie wird da zum Putschversuch einer „Abtreibungs­lobby“ gegen die wahren Gläubigen und in der Folge alle Menschen überhaupt stilisiert.

Leider handelt es sich da keineswegs bloß um marginale Erscheinungen eines skurrilen
Menschenschlags.

Leider handelt es sich bei diesen Enunziationen keineswegs bloß um marginale Erscheinungen eines skurrilen Menschenschlags. Sondern die Ideen grassieren wie das Virus, dessen Wirkung von diesen Herrschaften weitgehend geleugnet wird. Dieser Tage ließ sich auch der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der 2012–17 immerhin der oberste Glaubenshüter der katholischen Kirche war, erneut in ähnlich lautender Argumentation vernehmen.

„Querdenken“ per Rosenkranzgebet

Anhänger dieser rechten Parteiungen in der katholischen Kirche rufen hierzulande seit Tagen zu Rosenkranzgebeten an markanten Orten landauf landab auf – und gerieren sich so als der katholische Arm der „Querdenker“-Bewegung, die nun schon allwöchentlich gegen die Corona-Maßnahmen der Politik und eine Impfpflicht auf der Straße mobilmacht. Analog den Verhältnissen bei den säkularen Verschwörungsideologen tun sich die etablierten Kirchen schwer, sich gegen die eigentlich unhaltbaren Anwürfe zur Wehr zu setzen. Vielleicht – das mag gleichfalls eine Parallele zu den säkularen Pendants sein – liegt das auch daran, dass der Geist, der hier zu Tage tritt, schon lang unterwegs ist. Ein simples Weltbild und eine Fixierung auf eine angeblich ungebrochene christliche „Tradition“ sind Merkmale, die unter dieser Anhängerschaft durchgängig zu finden sind.

Vor dem derzeitigen Pontifikat gaben sich diese Parteiungen als besonders papsttreu. Als Papst Franziskus sich aber nicht so verhielt, wie es diese Strömungen wollten, war es mit der Papsttreue flugs vorbei. Heute gehören sie zu den lautstarken Franziskus-Kritikern, die auch am Umgang des Pap­stes mit der Pandemie kein gutes Haar lassen.

Man kann dazu auch ein weiter zurückliegendes Beispiel anführen: Als Innsbrucks Bischof Reinhold Stecher (er wäre dieser Tage hundert Jahre alt geworden) 1994 den antisemitischen Kult ums Anderl von Rinn, die Verehrung des angeblichen Opfers einer Ritual­mordlegende, verbot, liefen die Anhänger des Kults Sturm dagegen – Wallfahrten zum Anderl von Rinn gibt es bis heute.

Die heutigen Verschwörungsideologen katholischer Provenienz sind so etwas wie Wiedergänger dieser antijüdischen Unbelehrbaren. Es rächt sich, dass man derartigen Umtrieben viel zu lang keine wirkliche Aufmerksamkeit geschenkt bzw. diesen von konservativer Seite klammheimlich gar die Mauer gemacht hat. Mit dieser verqueren „Gläubigkeit“ darf aber kein Staat gemacht werden. Jetzt erst recht nicht.

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