Lockdown: Versagen - und lernen
Die Regierung hat durch inkonsistente Koordination und Kommunikation wesentlich zum neuerlich notwendigen Lockdown beigetragen. Doch Verantwortung tragen letztlich wir alle.
Die Regierung hat durch inkonsistente Koordination und Kommunikation wesentlich zum neuerlich notwendigen Lockdown beigetragen. Doch Verantwortung tragen letztlich wir alle.
Jetzt ist also doch eingetreten, was Anfang Oktober noch „meilenweit“ entfernt schien und bis zuletzt nur als irreale Drohkulisse galt: der harte Lockdown, das kollektive Herunterfahren, der Home-Schooling-Office-Wahnsinn, die individuelle Isolation. Im Frühling, bei der Premiere dieser realen Dystopie, ist trotz aller Überforderung noch Hoffnung mitgeschwungen: Dieses ganz andere Leben könne auch Neues zum Blühen bringen: Delphine in Venedig, ein flugzeugfreier Himmel, Selbsterfahrung beim Brotbacken, sofern noch irgendwo Germ verfügbar war.
Diesmal, im November, ist die Emotionslage dumpfer, aggressiver: Man weiß, wie sich Dreifachbelastung anfühlt; man weiß, dass die Menschheit durch eine Krise nicht automatisch klüger wird (auch wenn es selbsternannte Zukunftsforscher noch so lautstark proklamieren); und vor allem ahnt man, dass dieser neuerliche „Hammer“ auf alles Gemeinsame, Verbindende, Kraftspendende – von der Schule bis zu Gottesdiensten – nicht völlig unvermeidbar war.
Es ist ein kollektives Versagen, das zu diesem neuerlichen Lockdown führte. Zuvorderst eines der politischen Koordination: Trotz aller Bekundungen blieben die Vorbereitungen für den absehbar „harten Herbst“ weitgehend aus. Die Versäumnisse reichten von einer erratischen „Teststrategie“ über fehlende Ressourcen für das „Contact Tracing“ bis zur im Sprung gehemmten „Corona App“. Überlagert wurde all das von fahrlässigem Wunschdenken – besonders augenfällig im Bildungsbereich: Die Unterstützung für Schulen und Lehrkräfte erschöpfte sich bis zuletzt im ministerialen Hinweis „Mehr lüften!“ – und dem Mantra, dass Schulen diesmal sicher geöffnet blieben, weil sie keine Treiber im Infektionsgeschehen wären. Entsprechend groß sind nun Vertrauensverlust und Ärger bei Eltern und Pädagog(inn)en, die binnen Stunden ihr Leben neu organisieren mussten. Dass erst jetzt an einer „virusrobusten Schule“ gearbeitet wird, lässt viele sprachlos zurück.
Inszenierung statt Planung
Vertrauenzersetzend verlief zuletzt auch die politische Kommunikation: Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz gleichsam im Alleingang in der ORF-„Pressestunde“ Massentests nach slowakischem Vorbild verkündete – und sich erst tags darauf öffentlichkeitswirksam mit Premier Igor Matovič besprach – deutet eher auf mediale Inszenierung hin denn auf sorgfältige regierungsinterne Planung. Auch wenn solche Massentests eine hilfreiche Momentaufnahme liefern können (sofern sie überhaupt logistisch gelingen): Eine plausible Strategie, wie wir noch weitere Wochen und Monate mit diesem Virus leben können, ersetzen sie nicht.
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