
Macrons Taiwan-Sager: Kritiker verdrehen die Tatsachen
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Europa aus dem Taiwan-Konflikt heraushalten und fordert mehr Autonomie. Für seine Rhetorik muss er viele Prügel einstecken. Zu Unrecht.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Europa aus dem Taiwan-Konflikt heraushalten und fordert mehr Autonomie. Für seine Rhetorik muss er viele Prügel einstecken. Zu Unrecht.
Die Empörung ist wieder einmal riesig. Und sie kam so schnell, dass man geneigt ist zu bezweifeln, ob alle Kritikerinnen und Kritiker die Zeit fanden, Emmanuel Macrons Interview mit Les Echos in Gänze zu lesen, bevor sie wütend in die Twitter-Tasten hauten. Doch das ist einerlei. Der ehemalige Investmentbanker Macron ist längst für viele das Feindbild par excellence – zu wirtschaftsliberal, zu abgehoben, zu ehrgeizig. Nun scheint er auch noch „von allen guten Geistern verlassen“, wie es der deutsche Christdemokrat Norbert Röttgen (der, der einst Angela Merkel beerben wollte) via Tweet verlautbaren ließ.
Was genau brachte die Empörungsmaschinerie in Gang? Macron hatte angemerkt, dass es Europa tunlichst vermeiden sollte, sich in den Taiwan-Konflikt mit hineinziehen zu lassen: „Irgendwann müssen wir uns die Frage nach unserem Interesse stellen. […] Unsere Priorität ist es nicht, uns in allen Regionen der Welt der Agenda anderer anzupassen.“ Andernfalls mutiere die EU zum Vasallen (der USA). Anzustreben sei das Gegenteil: die strategische und militärische Autonomie. Damit hat er recht.
Dass der französische Präsident mit seinen Aussagen auch innenpolitisches Kapital schlagen wollte, ist selbstredend. Mithilfe des Sonderartikels 49.3 der Verfassung hatte er seine umstrittene Pensionsreform durchgebracht – ohne Parlamentsabstimmung. Die französische Bevölkerung tobt. Regelmäßige landesweite Demonstrationen und Streiks sind die Folge.
Atommacht am Zug
Die Rolle als vorausdenkender Strippenzieher auf der weltpolitischen Bühne kommt ihm daher zupass. Im Grunde richtete er seinen Landsleuten durch die Medien aus: „Ich sehe zu, dass ich euch die nächste Katastrophe vom Hals halte.“ Und auch ein Hauch rendre à la France sa grandeur – die französische Version von Trumps „MAGA“ („Make America Great Again“) – schwang bei seinen Aussagen mit. Denn eine militärische Autonomie Europas ist nur unter der Führung der einzigen Atommacht in der EU bzw. Kontinentaleuropas – also Frankreichs – denkbar.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!
