Nach Erdogans Sieg: Der Westen kann nur mit Glaubwürdigkeit punkten
Internationale Realpolitik heißt auch, mit jenen zusammenarbeiten zu müssen, die Menschen- und Bürgerrechte sabotieren. Steht das westliche Wertesystem vor einem Kollaps?
Internationale Realpolitik heißt auch, mit jenen zusammenarbeiten zu müssen, die Menschen- und Bürgerrechte sabotieren. Steht das westliche Wertesystem vor einem Kollaps?
Die internationale Ordnung befindet sich in einem Prozess hin zur Multipolarität – und nun hat ein zentraler Player seine Macht zementiert: Recep Tayyip Erdoğan. Westliche Zivilgesellschaften und jene Türk(inn)en, die die Zukunft ihres Landes in einer liberalen Demokratie wähnten, hofften auf eine Abkehr von Erdoğans Autokratie. Mit etwas Abstand betrachtet, mutet das fast naiv an. „Anzunehmen, dass die Türkei das erste Land ist, das einen Autokraten durch Wahlen abschüttelt, ist reines Wunschdenken“, erklärte Yavuz Baydar, Chefredakteur der exiltürkischen Plattform Free Turkish Press im Vorfeld der Wahlen.
Er sollte Recht behalten. Denn die rechtspopulistische und neo-osmanische AKP und ihr Vorsitzender hatten vorgesorgt: Erdoğan kontrollierte längst die meisten türkischen Institutionen, drängte Liberale und Kritiker ins Abseits, schlug Proteste nieder, verhinderte Korruptionsermittlung gegen seinen engsten Kreis. Nun hat er sich mit „legalen Lügen“ und Putins Milliarden-Dollar-Wahlhilfen (das Gerücht, dass dafür sensible NATO-Informationen nach Moskau geliefert wurden, hält sich hartnäckig) endgültig auf den Olymp katapultiert.
Vermutlich strebt Erdoğan eine Änderung der Verfassung an, die ihm eine lebenslange Herrschaft sichert. Gleichzeitig wird er darauf hinarbeiten, die Türkei als eigenständige regionale Macht aufzustellen, gegen die im Mittleren Osten, in Zentralasien und Nordafrika keine ordnungspolitischen Entscheidungen umgesetzt werden können.
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