Regierungsbildung
DISKURSNationalratswahl: Fragiles Hohes Haus
Das Parlament ist nicht das alleinige Fundament der Demokratie, aber sein institutionelles Herz. Was, wenn Illiberale, Verschwörungsfans und „Systemfeinde“ darin die (relative) Mehrheit stellen?
Das Parlament ist nicht das alleinige Fundament der Demokratie, aber sein institutionelles Herz. Was, wenn Illiberale, Verschwörungsfans und „Systemfeinde“ darin die (relative) Mehrheit stellen?
„Demokratie ist ein System organisierter Unsicherheit“, weiß der in Polen geborene US-Politikwissenschafter Adam Przeworski. Sie schafft den Rahmen, dass Menschen in Freiheit zusammenleben können. Sie ermöglicht, dass Neues erprobt und jede neue Herausforderung unter Beteiligung vieler gemeistert werden kann. Doch damit das gelingt, braucht es ein stabiles Gefüge, dem Menschen vertrauen.
Was zu diesem Gefüge gehört, wurde in der von Christoph Konrath und Marianne Schulze konzipierten siebenteiligen FURCHE-Serie „Sommer der Demokratie“ eindrucksvoll beschrieben. Gewaltenteilung, ein funktionierender Rechtsstaat und politische Parteien gehören jedenfalls dazu. Das eigentliche Fundament des „Systems“ Demokratie bilden freilich unser aller Engagement, Teilhabe sowie Umgangsformen, die von Offenheit, Kompromissbereitschaft und ja, auch einem Mindestmaß an Rationalität geprägt sind. Soll Demokratie resilient gegenüber ihren Feinden bleiben, muss all dies tagtäglich als Lebensform gepflegt werden.
Die Praxis sieht bekanntlich anders aus. Längst ist der öffentliche Diskursraum vom "Empörium" zerstört bzw. in Blasen zerfallen. In welchen Parallelwelten diese mittlerweile wabern, zeigt ein Blick in den erstbesten Telegram-Chat – oder FPÖ-TV. Entsprechend schlecht ist es dort und insgesamt um das Vertrauen in das demokratische „Gefüge“ bestellt: Laut „Zukunftsmonitor 2024“ von IFES und Industriellenvereinigung haben 43 Prozent der Menschen kein oder kaum Vertrauen ins Parlament; noch mehr, nämlich 52 Prozent, misstrauen der Regierung. Die Corona-Pandemie hat diese Werte noch wesentlich gedrückt.
Im Herbst der Demokratie?
Am kommenden Sonntag wird sich nun zeigen, wie weit der Herbst der Demokratie schon ins Land gezogen ist – und wie sehr das weitgehend lösungsfreie Bewirtschaften berechtigter Sorgen und Ängste bereits Früchte trägt. Auch wenn im Zuge der Hochwasserkatastrophe der Debattenton kurz an Schrillheit verlor und so etwas wie Solidarität ahnbar wurde: Nach wie vor liegt eine Partei in Umfragen vorn, die Sicherheit durch eine „Festung“ verspricht, wie Viktor Orbán von folgsamen Medien träumt, ihre Wissenschaftsfeindlichkeit durch Pressekonferenzen mit Verschwörungstheoretikern belegt – und sich regelmäßig des sprachlichen Setzkastens der Nationalsozialisten bedient.
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