Neue Regierung: Mut zur Ent-Täuschung

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Nach dem Ende der „Ära Kurz“ haben Desillusionierung und Wut einen neuen Höhepunkt erreicht. An neuer Sachlichkeit und Ehrlichkeit führt für die neue Regierung kein Weg vorbei.

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Nach dem Ende der „Ära Kurz“ haben Desillusionierung und Wut einen neuen Höhepunkt erreicht. An neuer Sachlichkeit und Ehrlichkeit führt für die neue Regierung kein Weg vorbei.

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Sebastian Kurz ist also (vorerst) Geschichte. Er wurde bei seinen Gegnern als Satan und bei seinen Anhängern als Messias überschätzt, er war „kein Heiliger und kein Verbrecher“, wie er selbst bei seinem Rückzug betonte. Aber er war als Meister des politischen Wortes und kommunikatives Ausnahmetalent verantwortlich für eine Politik, die im Zweifel nicht auf das Notwendige, sondern auf Stimmungen setzte, diese notfalls weiter befeuerte – und dadurch in der Pandemie letztlich scheiterte.

In diesem pandemischen Scheitern ist Kurz natürlich nicht allein. Niemand hat dieses variantenreiche Virus im Griff, es perpetuiert die Krise auf unabsehbare Zeit, es nährt die nicht enden wollende Ohnmacht, die gesellschaftlichen Fliehkräfte und die postfaktischen Irrationalismen, die man bis vor wenigen Jahren noch für undenkbar gehalten hätte. Doch je länger dieser Ausnahmezustand währt, desto unverzichtbarer werden zwei Prämissen nachhaltigen politischen Agierens: nämlich verbindlich und verbindend zu sein.

Beides vermisste man in der (Pandemie-)Politik von Sebastian Kurz: Die auf Zustimmung spielende, aber verfrühte rhetorische Beendigung der Krise – verbunden mit unterbliebenen Impfappellen vor der oberösterreichischen Landtagswahl – untergrub spätestens beim Explodieren der Inzidenzzahlen das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit des Gesagten. Und die Rede vom „Einsperren“ der Geimpften sorgte für zusätzliche Spaltung. Auch Kurzʼ Kurzzeitnachfolger, Alexander Schallenberg, fand zur Überraschung vieler trotz diplomatischer Prägung kaum verbindende Worte im Kanzleramt. Nun hat auch er das Amt, das er als „Verfassungspatriot“ in der Stunde der Not übernommen habe, wie er meinte, wieder eilends abgelegt. Die Erleichterung darüber war ihm anzumerken – und ebenso die Lust des Neuen, zu regieren.

Länder als altes/neues Problem

Wohin unter Karl Nehammer die Reise geht, ist vorerst noch nicht abschätzbar. Neue Sachlichkeit, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit stehen jedenfalls ganz oben auf der Dringlichkeitsliste, wie nicht zuletzt der Bundespräsident bei der Angelobung betonte. Tatsächlich wurde in den letzten Tagen hinsichtlich des ohnehin erschütterten Vertrauens in die Politik weiteres Porzellan zerschlagen. Und die Landeshaupt­leute haben nicht wenig Anteil daran: etwa ein Günther Platter, der ohne vorherige Absprache im ORF die (hochproblematische) Koppelung des Lockdown-Endes an ein Datum statt an das Pandemiegeschehen bekräftigt; oder ein Hermann Schützenhöfer, dem das steirische Hemd wichtiger ist als der bundesweite Rock.

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