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Offenkundig und schlecht

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Weil der Verfassungsgerichtshof nur ein Wort des zwei Jahre alten neuen Asylgesetzes als offenkundig verfassungswidrig erkannt hat, sieht sich Innenminister Franz Löschnak sogar in seiner Ausländerpolitik bestätigt.

Konkret ging es ja auch um das Wörtchen offenkundig im Paragraphen 20 (Absatz dieses Asyl-gesetzes„das Berufungen gegen Entscheidungen in erster Instanz nur dann eröffnete, wenn ein Ermittlungsverfahren überhaupt einmal „offenkundig mangelhaft", also in gröbster Weise willkürlich gewesen ist. Gegen andere Verfahrensfehler, die oft menschliche Tragödien besiegelt haben, war, -was dem Rechtsstaat eindeutig widerspricht - keine wie immer geartete Rerufung möglich. Nach Höchstgericht-Entscheid wird nun dieses eine Wort gestrichen.

Aus dem Umstand aber, daß die Verfassungshüter sonst keine verr fassungsrechtlichen Einwände geltend gemacht haben, gleich eine Restätigung, fast eine Art allerhöchste Zustimmung abzuleiten, ist abstrus. So abstrus, daß sogar Ludwig Adamovich seine vornehme Zurückhaltung als Präsident des Verfassungsgerichtshofes ablegen und betonen mußte, was Löschnak offenkundig zu behübschen versuchte: Geprüft wurde die Verfassungswidrigkeit und nicht, ob eine Restimmung auch „billig sei und gewissen Gerechtigkeitsvorstellungen entspreche".

Verfassungskonformität allein macht aus einem schlechten Gesetz noch lange kein gutes. Was beispielsweise auch für das Ozon-Gesetz gilt, gilt weiter für die Ausländergesetze insgesamt und für das Asylgesetz im besonderen. Wie da Probleme und Schicksale von Menschen nur als Akten geschoben werden, wie das Formale über das Materielle triumphiert: das ist keine Frage der Staatsverfassung, da geht es um die Geisteshaltung dahinter. Recht und Gerechtigkeit bleiben leider oft zweierlei.

Wie oft fühlt sich denn nicht selbst der Staatsbürger dem Rüro-kratismus in diesem Land hilflos ausgeliefert? Erst recht leiden darunter die verzweifelten Asyl- und Hilfesuchenden. Daher darf die Kritik an diesen inhumanen Gesetzen keinesfalls verstummen: für mehr Menschlichkeit im Recht und durch Recht.

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