"Querida Amazonia": Päpstlicher Eiertanz

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Das Lehrschreiben nach der Amazonien-Synode, die im Oktober in Rom stattfand, ist erschienen. Kein Sanktus von Franziskus für die dort erbetenen Reformen.

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Das Lehrschreiben nach der Amazonien-Synode, die im Oktober in Rom stattfand, ist erschienen. Kein Sanktus von Franziskus für die dort erbetenen Reformen.

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Auf den ersten Blick kann man das Schreiben „Querida Amazonia – Geliebtes Amazonien“, mit dem Papst Franziskus die Ergebnisse der Amazonien-Synode lehramtlich festlegt, als Sieg der Konservativen wider jede strukturelle Reformbemühung in der katholischen Kirche lesen. Jene kleine, aber lautstark agierende Lobby arbeitet effektiv: Auf deren Internetseiten waren vor der Veröffentlichung des Papstschreibens angebliche Versionen desselben kursiert, in denen von einer Lockerung des Zölibats in Ausnahmefällen wie etwa entlegenen Gegenden ohne Priester, die Rede war. Derartige Nebelgranaten haben im Verein mit Aufregern wie dem Zölibatsbuch des Kurienkardinals Robert Sarah, für das dieser auch den emeritierten Papst einspannte, ihre Wirkung getan.

Das Wort Zölibat oder „viri probati“ kommt in „Querida Amazonia“ nicht vor. Papst Franziskus stellt dafür ausführlich Reflexionen übers sakramentale Priestertum an, um dann (trotzdem er das Fehlen von Eucharistiefeiern in Amazonien als Problem anerkennt) schlusszufolgern: „Es geht also nicht allein darum, eine größere Präsenz von geweihten Amtsträgern zu ermöglichen, die die Eucharistie feiern können. Das wäre ein zu begrenztes Ziel, wenn wir nicht versuchen, auch neues Leben in den Gemeinden zu wecken.“

Der gelernte Katholik konstatiert resignativ bis empört: Das alles haben wir schon x-mal gehört. Und es ändert sich wieder nichts.

Der gelernte Katholik konstatiert ob solcher Sätze resignativ bis empört: Das alles haben wir schon x-mal gehört. Und es ändert sich wieder nichts. Franziskus hat also kalte Füße vor den lautstarken Bremsern bekommen. Oder wollte er gar nicht anders?

Eine zweite Lesart?

Man kann auch eine zweite Lesart versuchen. Denn das Genre von „Querida Amazonia“ ist ungewohnt: Franziskus „präsentiert“ damit der Kirche das Synoden-Schlussdokument „offiziell“ und fordert auf, dieses genau zu studieren – er zitiert nicht einmal daraus, damit sich die Adressaten seiner Ausführungen selbst die Mühe machen, es zu lesen. Das klingt innovativ. Und es ist, was die inhaltliche wie meditative Weiterführung vieler Themen ökologischer, sozialer, politischer und – auch! – pastoraler Fragen betrifft, die auf der Synode präsent waren, eine lesenswerte Analyse. Darauf dürften sich die Konservativen stürzen, nachdem sie den Triumph in der Zölibats- und Ämterfrage ausgekostet haben.

Der Papst bekennt sich da etwa zu offener Inkulturation indigener Mythen in einen christlichen Kontext. Diejenigen, die dem Papst und der Synode ob der Aufstellung indigener Fruchtbarkeitsfiguren in Kirchen während der Beratungen „Götzendienst“ vorwarfen, werden wieder aufheulen. Aber diese zweite Lesart stößt schnell an Grenzen. Denn was heißt es, dass der Papst das Synodendokument (in dem etwa Zölibatsausnahmen oder das weitere Studium der Möglichkeiten einer Weihe von Diakoninnen erbeten werden) der Kirche „offiziell“ ans Herz legt? Ist das Schlussdokument nun verbindlich? Oder nicht?

Auch Kardinal Christoph Schönborn lässt in einer Stellungnahme zu „Querida Amazonia“ Ratlosigkeit durchklingen, wenn er darauf hinweist, dass sich Franziskus etwa im Schreiben „Amoris laetitia“ nach der Familiensynode 2014/15 sagt, er mache sich manche Texte der Synode „zu eigen“. Schönborn: „Aber eine solche Generalklausel, die das ganze Dokument der Amazonien-Synode beträfe, formuliert er nicht.“

Schönborn wertet es nun als Zeichen von Franziskus’ Verständnis von „Synodalität“, dass er vieles offen lässt. Mit Verlaub: Man hat genug von derartigem Eiertanz päpstlicher Enunziationen. Man muss auch daran erinnern, dass Franziskus selber „mutige Vorschläge“ zur Kirchenreform eingefordert hat. Der einzige Unterschied zu früheren Zeiten scheint darin zu liegen, dass Quer- und Vordenker nun nicht mehr automatisch vor ein Tribunal römischer Glaubenswächter gezerrt werden. An der Frustration und dem endgültig drohenden Exodus derer, welche die Kirche mit der Welt und der Zeit versöhnen wollen, ändert dies alles rein gar nichts.

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