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Pressefreiheit und Medienvielfalt: Politisches Irrlichtern

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Medienpolitik firmiert hierzulande weiter unter „ferner liefen“. Auch wenn es um die (künftige) Rolle des ORF geht. Breiter Diskurs über die Medien findet einfach nicht statt. Eine Empörung zum "Tag der Pressefreiheit" am 3. Mai.

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Medienpolitik firmiert hierzulande weiter unter „ferner liefen“. Auch wenn es um die (künftige) Rolle des ORF geht. Breiter Diskurs über die Medien findet einfach nicht statt. Eine Empörung zum "Tag der Pressefreiheit" am 3. Mai.

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Letzte Woche besiegelte die türkis-grüne Bundesregierung das Ende der Wiener Zeitung, genauer: deren Ende als gedruckte Tageszeitung. Eva Blimlinger, grüne Mediensprecherin, ließ ihren parlamentarischen Nekrolog auf die bald nicht mehr älteste Tageszeitung der Welt in einem skandalösen Bild gipfeln. Sie verglich den Neuanfang der Republik Österreich am 27. April 1945 mit dem nunmehrigen „Neuanfang“ der Wiener Zeitung, als den sie die Einstellung verbrämte: Blimlingers Entgleisung mag als weiteres Indiz dafür herhalten, wie erbärmlich sich die Medienpolitik im Land geriert.

Es hätte viel zu reden gegeben rund um die Wiener Zeitung. Und es lagen Vorschläge zu deren Überleben auf dem Tisch (in der FURCHE hatte Medienwissenschafter Fritz Hausjell bereits im April 2021 mit einem Rettungsvorschlag aufhorchen lassen). Wurde aber einer dieser Vorschläge öffentlich diskutiert? Nein. Ob in den Hinterstübchen der Politik irgendein Szenario angekommen war, entzieht sich der Kenntnis auch des journalistischen Beobachters.

Ja, so funktioniert Medienpolitik im Land: management by chaos. Oder einfach drüberfahren, sprich: zusperren. Oder jeden Einwand in den Wind schlagen: Ein Teil des Geldes, das sich die Republik mit der Einstellung der Wiener Zeitung erspart, soll in eine staatliche Journalistenausbildung gesteckt werden – ein Vorschlag, der weithin kritisiert wurde. Der Respons der Politik, von der Medienministerin abwärts: schweigen. Und das Geplante durchziehen.

Weder Plan noch Vision für den ORF

Dabei dürfte das Elend der Wiener Zeitung nur eine Fußnote in der medienpolitischen Inferiorität bleiben. Denn die politische Nichtdiskussion rund um den ORF ist noch viel prekärer: Auch hier zeigt sich, dass von der zuständigen Politik weder ein Plan noch eine Vision dazu zu haben war, wie öffentlich-rechtliche Medien unter den Bedingungen der 2020er Jahre gestaltet sein sollten.

Das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung nun vorgelegt hat, ist mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land. Sondern es war der Verfassungsgerichtshof, der eine Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt verlangte: Und weil eben dies zu reparieren ist, handelt die Regierung.

Die Politik wäre gefordert, um die Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten.

Also kommen eine Haushaltsabgabe sowie mehr digitale Freiheiten für den ORF und einige Einschränkungen, was dessen Online-Angebot orf.at betrifft. Und eine Entparteipolitisierung des ORF? Fehlanzeige! Wieder einmal.

Die Debatte über die „blaue Seite“ des ORF ist prototypisch fürs medienpolitische Des­aster, in dem sich Österreich seit Jahr und Tag wiederfindet: Denn man darf den ORF nie ohne die Rahmenbedingungen für alle Medien betrachten.

Die Transformationen, die Medien aller Art zurzeit erleben und erleiden, würden eine politische wie gesellschaftliche Diskussion der Sonderklasse verlangen. Denn Medien müssen existieren und Journalist(inn)en von etwas leben können. Klassische Erlösmodelle sind jedoch weggebrochen – die Werbung etwa wird von den internationalen Technologiegiganten abgesaugt.

Und von Medienkonsumen­t(inn)en Einnahmen zu lukrieren, wenn sie nicht dazu gezwungen sind (z. B. via Haushaltsabgabe), bleibt extrem herausfordernd.

Dass die „Kleinen“ im Konzert der Medien, die für ihre Inhalte Bezahlung benötigen, dann aufschreien, wenn öffentlich ­finanzierte, gleichartige Angebote des ORF „gratis“ sind, sollte nicht verwundern.

Medienpolitik wäre gefordert, um die (wirtschaftliche) Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten. Wenn ebendiese Politik nun die Wiener Zeitung einstellt, zeigt dies, dass ihr dieses Anliegen herzlich egal ist. Das empört auch in demokratiepolitischer Hinsicht: Denn eine vitale Demokratie bedarf lebender und lebendiger Medien. Der aktuelle österreichische Weg führt diesbezüglich in die Irre.

Hinweis: Aus Protest gegen die Medienpolitik und insbesondere die ORF-Digitalnovelle erscheinen die Tages- und Wochenzeitungen - wie auch DIE FURCHE - am "Tag der Pressefreiheit" mit unbedrucktem Cover. Weitere Leitartikel zum Thema lesen Sie bei Die Presse, Kleine Zeitung, Standard, Profil, Kurier, Salzburger Nachrichten, Vorarlberger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Wiener Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten und Niederösterreichische Nachrichten.

Navigator - © Die Furche

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