Querdenker & Co: Gemobbte Demokratie
Die Minderheit, die gegen die Corona-Maßnahmen zu Felde zieht, ist lautstark. Doch Gefahr ist: Die Schwelle zur Gewalt wurde verbal längst überschritten. Wie lange halten die Dämme?
Die Minderheit, die gegen die Corona-Maßnahmen zu Felde zieht, ist lautstark. Doch Gefahr ist: Die Schwelle zur Gewalt wurde verbal längst überschritten. Wie lange halten die Dämme?
Man konnte die Bilder aus dem Kapitol in Washington vom 6. Jänner 2021 memorieren, die auch hierzulande dieser Tage in TV-Dokumentationen wieder ins Bewusstsein geholt wurden: Das Mobbing der Demokratie durch eine gewaltbereite Minderheit hat jenseits des Atlantiks bereits Menschenleben gefordert.
Leider muss man nicht in die Ferne schweifen, um zu sehen, dass die Dämme gegen die Gewalt nur mehr gerade noch halten: Wer etwa in eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen gerät, dem kann angst und bang werden: Dort sieht man Teilnehmer, die unverhohlen „Todeslisten“ mit Politiker-Konterfeis herumtragen oder eine Axt samt abgeschlagenem Kopf. Stimmt, es handelt sich um eine Minderheit, mag sein, sogar bloß um eine verschwindende. Aber es geht nicht mehr an, dass dem Aufzwingen von – Gott sei dank noch: verbaler – Gewalt kaum etwas entgegengesetzt wird.
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Ja, die Demokratie, die offene Gesellschaft, lässt dissente Meinungen zu. Aber darf sie dem flagranten Missbrauch dieser Freiheit tatenlos zusehen? Auch da fängt es im Alltag an: Wer rund um die besagten Demos ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt, kann erleben, dass wenige den vielen, die sich und andere durch Masken schützen, quasi das Götz-Zitat ausrichten. Ohne, dass es Konsequenzen gibt …
Ja, es ist gut, dagegen Zeichen zu setzen – etwa die stillen „Lichtermeere“, die überall im Land stattfinden. Aber reicht es, leise zu bleiben gegen das Geschrei der Straße?
Wenig Kreativität beim Widerstehen
Es wird sich in diesen Tagen weisen, ob Demokratie mehr ist als eine Schönwetter-Gesellschaftsform. Ob sie sich wehren kann gegen die Zumutungen einer Minderheit. Mag sein, dass der Umgang mit der lautstarken Kritik nur langsam geht. Man kann aber auch seufzend konstatieren, wie wenig Kreativität eine satte, wohlstandsgewohnte Gesellschaft aufbringt, um den krakeelenden Teil in die Schranken zu weisen.
Es muss aber schleunigst Verständigung darüber geschehen, wie sich die Demokratie gegen dieses Mobbing wehrt, und wo rote Linien überschritten werden. Dazu gehört auch, die Rolle derer im Blick zu behalten, die dem Gewaltmonopol des Staates zum Durchbruch verhelfen sollen. Wenn sich aber Offiziere des Bundesheeres und vielleicht gar Teile der Polizei auf die Radau-Seite schlagen, dann brennt der Demokratie der Hut. Da helfen keine Sonntagsreden falsch verstandener Toleranz mehr.
Am unerträglichsten ist dabei das Verharmlosen der NS-Zeit und das Verwenden von Symbolen der Verfolgung aus jenen Tagen: „Jeder weiß, was Judensterne bedeuten, welche grausamen Erinnerungen damit geweckt und wie hier Ausgrenzung, Entwürdigung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Menschen verharmlost wird.“ So bringt es Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, auf den Punkt.
Dem ist nur hinzuzufügen, dass es natürlich so etwas wie Antisemitismus 3.0 ist, wenn nun die Verbrechen der Schoa in auch nur den geringsten Zusammenhang mit staatlichen Corona-Maßnahmen gesetzt werden. Wenn die viel beschworene „Aufarbeitung der Vergangenheit“ gegriffen hätte, dann müsste quasi unisono ein Aufschrei durchs Land schallen. Dieser geht aber weitgehend ab. Das ist bestürzend. Und niemand dürfte mit nur einem oder einer dieser Verharmloser in einer Reihe marschieren.
Es gibt Gesetze gegen NS-Wiederbetätigung. Aber nicht alles ist da juristisch gefasst. Auch die Verharmlosung der NS-Taten und der larmoyante Missbrauch von Judensternen und ähnlichen Symbolen ist geistige Wiederbetätigung, weil damit die Verbrechen zu einer tagespolitischen Banalität verniedlicht werden. Das muss – ohne Wenn und Aber – klar benannt werden.
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