Regierungskrise: Asche der Illusionen
Mitten in der Pandemie ist die Regierung in ihre bislang größte Krise geraten. Das Vertrauen in die politische Kultur steht auf dem Spiel. Über einen etwas anderen Politischen Aschermittwoch.
Mitten in der Pandemie ist die Regierung in ihre bislang größte Krise geraten. Das Vertrauen in die politische Kultur steht auf dem Spiel. Über einen etwas anderen Politischen Aschermittwoch.
Der Fasching ist heuer ausgefallen. Rote Nasen über FFP2- Masken – das passte ebenso wenig wie orchestrierte Lustigkeit in der größten Krise der Zweiten Republik. Auch die biergetränkten Poltereien des „Politischen Aschermittwochs“ waren heuer reichlich deplatziert. Umso aktueller wurde freilich bereits am Faschingsdienstag das, worum es beim mittwöchlichen Auftakt in die Fastenzeit – persönlich wie politisch – gehen sollte: um Klärung, um Neubesinnung, um Konzentration auf das Wesentliche.
Vertrauen: Das ist nicht nur die Basis aller Beziehungen, sondern auch jeder politischen Kultur. Ein Jahr Ausnahmezustand hat diesen Kredit freilich besorgniserregend aufgezehrt. Nach Pannen bei der Impfstrategie, neuen Mutanten und selbst mitverschuldeten Grenzkontrollen liegen nun die Nerven blank – nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Koalition. Der türkis-grüne Zwist um die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien aus Griechenland und die Abschiebung gut integrierter Schülerinnen machte die weltanschaulichen Paralleluniversen längst schmerzhaft deutlich. Und die jüngste Hausdurchsuchung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zeigte endgültig, wie dünn die Vertrauensbasis geworden ist. „In den letzten Tagen mussten wir leider den Eindruck gewinnen, dass die ÖVP ein gestörtes Verhältnis zur unabhängigen Justiz hat“, meinte die Grüne-Klubchefin Sigrid Maurer Dienstagvormittag nach der heftigen Kritik von Kanzler Sebastian Kurz an den Ermittlern. Nachmittags sprach man Blümel dann doch noch das Vertrauen aus: Zu groß ist der Wille, Reste des gemeinsamen Regierungsprogramms zu retten, das von der Pandemie hinweggefegt wurde; und zu trist ist die Alternative Neuwahl mitten in der Pandemie.
Rasche und penible Klärung
Eine solche kann sich niemand ernsthaft wünschen. Ebenso wenig freilich einen Finanzminister, der gegen Bestechlichkeitsvorwürfe kämpft (es gilt die Unschuldsvermutung) statt gegen die desaströsen Folgen der Krise. Umso wichtiger ist es, die Vorwürfe so rasch und penibel wie möglich aufzuklären: sowohl jene gegen Blümel als auch jene des Kanzlers gegen eine vermeintlich überschießende oder parteiische WKStA. Auch die Vorzüge eines unabhängigen Generalstaatsanwalts, dem die ÖVP nun überraschend ihre Zustimmung schenkt, sind zu prüfen. Dass die Glücksspielagenden aus dem Finanzministerium herausgelöst werden müssen, versteht sich von selbst.
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