Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Vatinhanum I und die Folgen
Die großen Reformkonzile von Konstanz(1414-1418)undTri-ent (1545-1563) hatten die Stellung des Papsttums angesichts der Kirchenspaltungen gestärkt, ohne jedoch kirchenrechtlich den Nachfolger Petri als letzte Instanz in Glaubensfragen anzuerkennen.Pius IX. plante seit 1864, in einem weiteren Konzil auch die unfehlbare Lehrautorität des Papstes beschließen zu lassen. Am 9. Mai 1870 begannen die Beratungen. 769 Konzilsväter waren gekommen (beim Zweiten Vatikanum sollten es mehr als 2.000 werden).
Von Anfang an standen einander zwei Lager gegenüber - 380 Teilnehmer setzten ihre Unterschrift unter ein Gesuch an den Papst, die Dogmatisie-rung der Unfehlbarkeit auf die Tagesordnung zu setzen. 140 Bischöfe warnten davor, darunter die Deutschen He-fele und Ketteier und die Österreicher Bauscher (Wien) und Schwarzenberg (Prag). Bei einer Vorabstimmung gab es 451 Ja-, 88 Nein-Stimmen und 62 bedingte Zustimmungen.
In der Vorlage hieß es, das Konzil erkläre „es für einen göttlich geoffenbarten Glaubenssatz, daß der römische Papst, wenn er ex cathedra spricht ... mit... Unfehlbarkeit ausgerüstet ist, ... und daß daher solche Entscheidungen ... aus sich selbst und nicht durch die Zustimmung der Kirche unveränderlich sind.”
Dieser Passus „nicht durch die Zustimmung der Kirche” stieß auf den Widerstand der Gegner. Als sie die Streichung nicht durchsetzen konnten, reisten 60 Bischöfe ab, um nicht mit Nein stimmen zu müssen. Die Abstimmung ergab am 18. Juli 1870, vor 125 Jahren, 533 Ja gegen zwei Nein.
Neun Wochen später stürmten italienische Truppen Born und besetzten den Kirchenstaat. Pius IX. lehnte jede Verständigung mit dem neuen Staat ab und lebte fortan als „Gefangener im Vatikan ”.Die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit aber führte in der Folge zur Abspaltung der altkatholischen Kirche, zur Kündigung des Konkordats mit Osterreich und zum jahrelangen Kulturkampf in Deutschland.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!